Fragen

[262] Fragen, verb. reg. act. nähere Bestimmung einer unbestimmten oder unbekannten Sache verlangen. 1) Eigentlich, mit der vierten Endung der Person. Er fragte mich, ob ich ihn nicht gesehen hätte. Ich frage dich auf dein Gewissen, auf deinen Eid. Einen Verbrecher peinlich fragen, ihn mit Anwendung der Tortur befragen. Die Sache, deren Bestimmung man verlanget, bekommt, wenn sie nicht vermittelst der Partikeln ob, wenn, wie, wer, was u.s.f. ausgedruckt wird, am häufigsten das Vorwort nach. Ich fragte ihn nach der Ursache seines Zornes. Hat niemand nach mir gefragt? Nach dem Preise einer Waare, nach dem rechten Wege fragen. Neugieriger Myrtill, wer wird nach allem fragen? Gell. Zuweilen auch das Vorwort um. Frage die Priester um das Gesetz, Hagg. 2, 12. Frage deine Jünglinge darum, die werdens dir sagen, 1 Sam. 25, 8. Am häufigsten in der R.A. Jemanden um Rath fragen, d.i. ihn fragen, was in dieser Sache sein Rath ist. Frage deine Ältern darum, frage sie, was ihr Wille in dieser Sache ist. Zuweilen findet auch die vierte Endung der Sache ohne Vorwort Statt. Das Weib Jeroboam kommt, daß sie von dir eine Sache frage, 1 Kön. 14, 5. Ich will euch auch ein Wort fragen, Matth. 21, 24. Ich will dich nur eins fragen. Ich möchte sie nur etwas fragen. Er fragt mich vielerley Sachen. Wer viel fragt, bekommt viele Antworten. Im l'Hombre Spiele bedeutet fragen absolute, fragen, ob die Mitspieler ein einfaches Spiel erlauben wollen. Auch das Reciprocum sich fragen steht zuweilen unpersönlich, eine ungewisse Sache auszudrücken. Es fragt sich noch, ob die Sache auch wahr ist, man kann fragen, ob u.s.f. Nun fragt sichs, ob er wirklich da gewesen ist. 2) Figürlich, sich um etwas bekümmern, Sorge dafür tragen, es achten, hochschätzen, mit dem Vorworte nach. Ob jemand klug sey und nach Gott frage, Ps. 14, 3. Die nach dem Herrn fragen, werden ihn preisen, Ps. 22, 27. Wer nach Gottes Wort fraget, der wirds reichlich überkommen, Sir. 32, 19. Im Hochdeutschen nur noch verneinungsweise, und im gemeinen Leben. Er fragt nach niemanden, hat für niemanden Achtung, bekümmert sich um keinen Menschen. Er fragt nichts nach dem Gelde, er achtet es nicht. Oder doch im verneinenden Verstande. Was sollte Gott nach ihnen fragen, was sollte der Höchste ihr achten, Ps. 73, 11. Was fragt er nach allen Ermahnungen? Er fragt viel darnach, d.i. nichts. Er fragt den Henker darnach, wenn er gleich verspottet wird.


Was frag' ich nach der Himmelssphäre

Und nach dem ganzen Sternenlauf?

Gell.


[262] Anm. Fragen, Nieders. gleichfalls fragen, bey dem Ulphilas fraihnan, bey dem Kero frahen, im Isidor fraghen, im Schwed. fraega, im Latein. ohne Blaselaut rogare, scheinet ehedem eine allgemeinere Bedeutung gehabt zu haben. In Boxhorns Glossen ist fragen zaudern, Infragunga das Zaudern. Im Schwed. bedeutet fraegna, und im Isländ. fråe, durch Fragen erfahren. In eben diesen Sprachen ist Fraegd und Fraegn das Gerücht, und fraegur, Angels. gefraege, Wallis. ffraeth, berühmt. In Nürnberg hat man von diesem Zeitworte das Fequent. frägeln, oft fragen, und in Österreich fratscheln, nachforschen, Wend. praschat. Daher ist in Nürnberg Pfragler und im Österreich. Fragner, Fratschler, ein Obsthändler, Höke. Daß einige Niedersachsen, wenn sie Hochdeutsch reden wollen, dieses Zeitwort im Imperf. irregulär abwandeln, ich frug, für ich fragte, ist schon von andern gerüget worden. Häufiger, aber darum nicht richtiger, ist die Abwandelung des Präsentis du frägst, er frägt, für du fragst, er fragt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 262-263.
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