Fromm

[320] Fromm, frömmer, frömmste, adj. et adv. welches von den ältesten Zeiten an, in einem vielfachen Verstande gebraucht worden. 1) * Stark, heftig; eine veraltete Bedeutung. Ein frumer Slach, ein heftiger Schlag, in dem alten Gedichte auf Carls des Großen Fledzug bey dem Schilter. 2) * Tapfer, herzhaft; eine gleichfalls veraltete Bedeutung; in welcher dieses Wort ehedem ein gewöhnlicher Titel der Ritter und edlen Knechte war, ehe derselbe von den Wörtern vest und mannhaft verdränget wurde. Er (Hector) was der frumeste und küneste Heilt der ie geboren war, Königshov. Chron. Kap. 1. Der Bischof streit uf denselben tag also ein frommer Ritter, ebend. Kap. 4. Noch zu Anfange des vorigen Jahrhundertes findet man die Titel: der ehrenfeste und fromme Ritter u.s.f. Auch die Eidgenossen bekamen ehedem von andern Mächten den Titel fromm. Das Angels. fraam, Isländ. framur, und Schwed. from, haben eben dieselbe Bedeutung. 3) * Nützlich, brauchbar; welche Bedeutung gleichfalls nicht mehr üblich ist. Frum, nützlich, bey dem Ottfried. Keine vrome Frucht, Elucid. Mst. beym Frisch. S. Fromme. 4) Abgeneigt, andern Böses oder Schaden zuzufügen, in der Sprache des täglichen Umganges. Ein frommes Pferd. Das Thier ist sehr fromm. Es ist so fromm, wie ein Lamm. Ein frommes Schaf nennt man im gemeinen Leben einen Menschen, der aus Einfalt niemanden Böses thut. 5) Wohl gesittet, artig, am häufigsten von Kindern. Ein frommes Kind. Die Kinder sind fromm gewesen, haben sich fromm aufgeführt. 6) Rechtschaffen, fertig seine Pflichten gegen andere willig zu erfüllen; eine im Hochdeutschen ungewöhnlich gewordene Bedeutung, ob sie gleich in der Deutschen Bibel nicht selten ist. Meinest du, daß dem Allmächtigen gefalle, daß du dich so fromm machest? Hiob 22, 3; fragt der Allerhöchste darnach, wenn du gerecht bist? in Michael. Übers. Die Frommen verwirft Gott nicht, Kap. 8, 20; Gott wird den Redlichen nicht verwerfen, Michael. Eine fromme Frau, Sir. 7, 21. Ein frommer Knecht, V. 23. Matth. 25, 21, 23. Und so in andern Stellen mehr. In einem vorzüglichen Verstande heißt 5 Mos. 32, 4, und in andern Stellen auch Gott fromm. 7) Unschuldig; rein von Verbrechen und groben Fehlern. So du rein und fromm bist, Hiob, 8, 6; wenn du rein und unschuldig bist, Michael. Er bringet um, beyde den Frommen und den Gottlosen, Kap. 9, 22; schuldige und unschuldige straft er, Michael. Wie rein nahm da mein Gemüth jeden frommen Eindruck auf! Hermes.


Sein ehrlich fromm Gesicht, sein heilig graues Haar,

Gell.


Dir schmückt das fromme Mädchen sich

Bey seinem Morgenliede,

Raml.


[320] 8) Gütig, mitleidig. Frommer Gott! Ein frommer Herr, im gemeinen Leben. In frommer Begeisterung nahm er jetzt die Leyer von der Wand, Geßn.


Er liest und eine fromme Zähre

Fließt von des Helden Angesicht,

Gell.


9) Gottesfürchtig, der alle seine Handlungen zur Ehre des von ihm erkannten Gottes einrichtet, und in dieser Gesinnung gegründet. Ein frommer Mann. Ein frommes Leben führen. Den Frommen wird kein Gutes mangeln, Ps. 84, 12; und so in andern Stellen mehr. Er that es aus frommen Eifer, nicht frommem, welches um der vielen m willen den Wohlklang beleidigen würde. Ein frommer Gedanke. Ein frommer Wunsch. Ein frommer Betrug, da man sich oder andere aus frommer Absicht hintergehet. In den neuern Zeiten sind die so genannten Pietisten bey dem großen Haufen unter dem Nahmen der Frommen bekannt geworden, und seit dieser Zeit hat dieses Wort, als ein Hauptwort gebraucht, einen verächtlichen Nebenbegriff bekommen, indem man darunter oft nur einen Heuchler verstehet.

Anm. In der letzten Bedeutung kommt es wohl in dem alten Gedichte auf den heil. Anno am ersten vor, wo sich der Superlat. vrumigist in dieser Bedeutung findet. Kero gebraucht für pius mehrmahls erhaf, und für Impietas Erlosida. Im Nieders. lautet dieses Wort in den meisten Bedeutungen framm, im Dän. from. und bey den Krainerischen Wenden brumne. Die Abstammung ist noch dunkel. Wachter leitet es in der 1sten und 2ten Bedeutung von ram, stark, tapfer, Frisch von probus, Ihre aber von der alten Partikel fram, fern, weit, sehr, groß, her, wovon im Schwed. främja befördern bedeudet, und welche auch bey den alten Oberdeutschen Schriftstellern sehr häufig vorkommt. Bey eben denselben findet sich auch das Zeitwort fruman, machen, hervor bringen, Goth. framban, Angels. fremman, Engl. to frame, wovon vermuthlich das noch in der Oberpfalz übliche anfremmen, bestellen, andingen, herstammet. Sich ein Paar Schuh anfremmen, bestellen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 320-321.
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