Gunst, die

[847] Die Gunst, plur. inus. von dem Zeitworte gönnen, welches im Nieders. noch jetzt gunnen lautet. 1) Derjenige Zustand des Gemüthes, da man einem andern etwas gönnet; in welcher weitesten Bedeutung es im Hochdeutschen veraltet, und nur noch in den Zusammensetzungen Abgunst und Mißgunst üblich ist. 2) In engerer Bedeutung, derjenige Zustand des Gemüthes, da man das Gute, welches einem andern widerfähret, nicht nur mit Zufriedenheit, mit Vergnügen siehet, sondern auch geneigt ist, ihm solches selbst zu verschaffen; wo es, so wie Liebe, von diesem Zustande des Gemüthes so wohl Vornehmerer gegen Geringere, als auch gleicher Personen gegen einander, als endlich Geringerer gegen Höhere gebraucht wird. In engerer Bedeutung ist es von der Neigung eines Höhern gegen einen Geringern üblich, da es denn so wohl der Würde als dem Nachdrucke nach etwas weniger

sagt, als Gnade. Gunst ist besser denn Silber und Gold, Sprichw. 22, 1, d.i. die Gunst anderer gegen uns; im gemeinen Leben: Gunst ist besser als Kunst. Rhazis hatte solche Gunst unter seinen Bürgern, daß ihn jedermann Vater hieß, 2 Macc. 14, 37. Sich um jemandes Gunst bewerben. Eines Gunst genießen, erwerben, verlieren. Sich in jemandes Gunst einschleichen. Sich bey jemanden in Gunst setzen. Bey einem in Gunst stehen. Nach Gunst urtheilen, mit Verletzung des Rechtes oder des Verdienstes. Es gehet alles nach Gunst, nicht nach Verdienst. Einem etwas zu Gunsten thun, d.i. zu Gefallen, aus Neigung zu ihm, und, etwas zu eines Gunsten thun, zu seinem Vortheil, sind im Hochdeutschen, wenigstens in der edlen Schreibart veraltet. Ehedem war es auch ein Titel, welcher etwas weniger war, als Gnade, und auch im Abstracto und im Plural üblich war, Ew. Gunsten, wovon noch großgünstig ein Überbleibsel ist. Eben so ungewöhnlich ist im Hochdeutschen der Gebrauch für Neigung überhaupt:


Ich trage freylich Gunst

Von meiner Kindheit an zu dieser edlen Kunst,

Opitz.


3) Erlaubniß, Verstattung, Einwilligung; wo es nur unter dem großen Haufen üblich ist, welcher, wenn er höflich seyn will, alles mit einem mit Gunst, mit Gunst zu melden, mit Gunst zu sagen u.s.f. begleitet, d.i. mit Erlaubniß. Für Einwilligung überhaupt kommt es im Theuerdanke vor, Kap. 100:


Ich muß mein gunst darzu geben.


Hierher gehöret auch der in einigen selbst Obersächsischen Kanzelleyen übliche Gebrauch, wo Gunst eine schriftliche Einwilligung, z.B. eines Lehensherren zur Verpfändung eines Lehens u.s.f. bedeutet, wo es auch im Plural die Günste hat, wofür in andern Consens üblich ist. Amtsgünste, Consensbriefe, welche von dem Amte ertheilet werden. Siehe Gunstbrief und Vergönnen.

Anm. So wie von Gnade im gemeinen Leben der Plural Gnaden anstatt des Singulars sehr häufig ist, so gebraucht man auch von Gunst im Oberd. die Günste, und im Hochdeutschen die Gunste, nicht selten auf ähnliche Art.


Das Volk – nahm dich in seine Günste,

Flemm.


[847] Bey einem in Gunsten stehen, nach Gunsten urtheilen, etwas zu eines Gunsten thun u.s.f. Allein in der edlen und anständigen Schreibart pflegt man sich dieses Plurals gern zu enthalten. Dieses Wort lautet ohne Gaumenbuchstaben bey dem Ulphilas Anst, bey dem Kero, der es für Gnade gebraucht, Anst, und im Plural Ensti, bey dem Ottfried Enst. In dem Isidor kommt Chinisti schon für Erlaubniß vor, aber bey dem Stryker bedeutet Gunst Haß; ein Muthmaßungsgrund, daß Anst, Gunst ehedem eine jede Gemüthsbewegung bedeutet haben müsse. S. Gönnen. Das Nieders. und Dän. Gunst sind dem Deutschen auch in der Bedeutung ähnlich. Im Schwed. ist außer Gunst auch noch Anst und Ynnest üblich. Es stammet von gönnen ab, hat aber so wie Gewinst, Brunst, Kunst, u.a. das eine n schon seit langer Zeit verloren. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist dieses Wort männlichen Geschlechtes, der Gunst.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 847-848.
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