Hals, der

[922] Der Hals, des -es, plur. die -Hälse, Diminut. das Hälschen, Oberd. Hälslein. 1. Eigentlich, wenigstens seinem heutigen Gebrauche nach, der Theil der thierischen Körper zwischen dem Kopfe und der Brust, der gemeiniglich dünnere Theil, der den Kopf mit dem Rumpfe zusammen hänget. Einen langen, dünnen, kurzen, dicken Hals haben. Einen langen Hals machen, den Hals in die Länge ausdehnen, Nieders. reckhalsen. Die Bassisten sahen mit langen Hälsen über ihre Instrumente herüber. Einem Thiere den Hals abhauen, den Hals umdrehen. Im gemeinen Leben gibt man dem Teufel Schuld, daß er den Hexen den Hals umdrehe, d.i. sie erwürge. Einem den Hals brechen, ihm das Genick brechen, ihn erwürgen, auch wohl ihn zu Grunde richten. Er hat den Hals gebrochen, hat sich das Genick abgestürzet. Das bricht dir den Hals, kostet dir dein Leben. In engerer Bedeutung auch wohl für die innern Theile des Halses, die Gurgel, die Luftröhre. Einen bösen Hals haben, wenn die innern Theile entzündet, oder schadhaft sind. Daher die R.A. aus vollem Halse lachen, schreyen, rufen, aus allen Kräften. Die Speise will mir nicht zu Halse,[922] will nicht schmecken; ein niedriger Ausdruck, den doch Opitz in einem sehr ernsthaften Zusammenhange gebraucht:


Das Essen will nicht gehen

Zu Halse wie zuvor,

Opitz, Ps. 107.


Der unrechte Hals, im gemeinen Leben, die Luftröhre. Daher die figürlichen, aber nur im gemeinen Leben, höchstens nur in der vertraulichen Sprechart üblichen Redensarten. Jemanden um den Hals fallen, ihn plötzlich umarmen. Etwas am Halse haben, mit einer unangenehmen, beschwerlichen Sache beladen seyn; eine vermuthlich von einem Joche entlehnte Figur. Das Fieber, ein böses Weib u.s.f. am Halse haben. Viele Verrichtungen über dem Halse haben, viele beschwerliche Dinge zu verrichten haben. Jemanden auf dem Halse haben, mit einem beschwerlichen Menschen Umgang, Gemeinschaft, Verbindung haben müssen. Sich etwas vom Halse schaffen, sich von einer beschwerlichen Sache los machen. Sich jemandes Zorn über den Hals ziehen. Einem etwas auf dem Halse lassen, ihn im Besitze einer beschwerlichen Sache lassen. Jemanden etwas an den Hals schwatzen, ihn zur Annehmung einer beschwerlichen Sache bereden. Er hat schon Jahre auf dem Halse, er ist schon bey Jahren. Jemanden einen Prozeß an den Hals werfen. Jemanden auf dem Halse sitzen, ihm zur Beschwerde zu nahe an ihm sitzen. Über Hals und Kopf, in der größten Eil. Jemanden über den Hals kommen, ihn unvermuthet überfallen. Du lügst in deinen Hals. Und was dergleichen niedrige Arten des Ausdruckes mehr sind. 2. Figürlich. 1) Der ganze Kopf, auch nur in einigen niedrigen R.A. Jemanden an den Hals schlagen, ihm eine Ohrfeige geben. 2) Die Bekleidung des Halses; in welcher Bedeutung das Diminutivum Hälschen von einem kleinen Halstuche üblich ist. Im Oberdeutschen sagt man auch ein Hals Perlen, d.i. so viele Perlen, als zu einer Halsschnur erfordert werden. 3) Das Leben; eine von der Strafe des Stranges oder des Schwertes in einigen R.A. hergenommene Figur. Das wird dir den Hals kosten, das Leben. Mit dem Halse bezahlen müssen. Es gehet ihm an den Hals, sein Leben ist in Gefahr. Auf den Hals sitzen, auf den Tod sitzen, um einer Ursache willen gefangen sitzen, welche das Leben kosten kann. 4) Die Person selbst; in welchem Verstande es nur in verächtlicher Bedeutung in den Zusammensetzungen Geitzhals, Wagehals, Schreyhals, Starrhals für Starrkopf u.s.f. üblich ist. Im Ostfriesischen Landrechte ist der todte Hals ein Erschlagener. 5) Wegen einiger äußern Ähnlichkeit, wird an verschiedenen Dingen ein schmalerer Theil, der den obern mit dem ganzen Dinge verbindet, der Hals genannt. Dergleichen ist der Hals an einer Bouteille oder Flasche, der Hals an einer Laute oder Violine, der Hals an den Racketen, der Ort, wo sie am Zündloche gebunden werden, der Hals an einem Anker, der Ort, wo die Arme mit der Ruthe vereiniget sind, der Hals eines Kellers, S. Kellerhals. Ein großer hölzerner Trichter, Wein- und Bierfässer damit zu füllen, führet den Nahmen eines Füllhalses u.s.f.

Anm. Schon bey dem Kero Halsa, bey dem Ulphilas, Raban Maurus, Ottfried, Notker und andern Hals, im Niedersächsischen, Dänischen, Schwedischen und Isländischen gleichfalls Hals. Das hohe Alter macht die Abstammung dieses Wortes ungewiß. Junius leitet es von ελισσειν, wälzen, drehen, Stiernhjelm und Wachter von halten, weil es den Kopf hält oder träget. Man könnte auch auf das Wort hohl fallen, so daß damit auf die Speise- und Luftröhre gesehen würde, welche man im gemeinen Leben den rechten und den unrechten Hals zu nennen pflegt. So viel ist gewiß, daß das Latein. Collum sehr genau damit verwandt ist. Im Schwed. finden sich noch zwey[923] völlig gleichlautende Wörter, welche aber allem Ansehen nach sehr verschiedenen Ursprunges sind. Das eine ist Hals, ein Ritter, tapferer Mann, welches Ihre zu dem Römischen Celsus rechnet, ein Titel, den man den Rittern zu geben pflegte; und das andere Hals, ein Hügel, welches zu unserm Halde gehöret. Das Deutsche Halse, ein Seil, ist von allen dreyen verschieden, S. 2. Halse. Im Krainischen ist Helze ein Messerheft, welches unläugbar von halten abstammet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 922-924.
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