Hans

[968] Hans, Genit. Hansens, Dat. Hansen; Dimin. Hänschen, Oberd. Hänslein, Hänsel, Nieders. Hänsken, Hänschen, eine nur im gemeinen Leben und den niedrigen Sprecharten übliche Verkürzung des ursprünglich Griech. männlichen Taufnahmens Johannes. Sprichw. Was Hänschen nicht lernt, wird Hans nimmermehr lernen, was man in der Jugend nicht lernt, wird man auch im Alter nicht lernen. Hänschen im Keller, eine im gemeinen Leben übliche scherzhafte Gesundheit des Kindes im Mutterleibe. Hans Wurst, eine sehr gewöhnliche Benennung der lustigen Person in den Schauspielen, welche schon in Peter Propsts Fastnachtsspielen aus der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhundertes unter diesem vermuthlich erdichteten Nahmen vorkommt. In den Französischen Lustspielen heißt er Jean Potage, Jean Farine, Pantalon, Trivelin, und im Ital. Polichinello, woraus die Niedersachsen ihr Putznelken gemacht, eine lustige Person zu bezeichnen. S. Harlekin und Pickelhäring.

Der häufige Gebrauch, welchen man schon vor langen Zeiten von dem Taufnahmen Hans machte, gab Gelegenheit, daß derselbe[968] in manchen Fällen zu einem allgemeinen Nennworte ward. So nannte man einen großen Herren ehedem sehr häufig einen großen Hans, und im Plural große Herren große Hanse; ein Ausdruck, dessen man sich noch jetzt zuweilen bedienet, obgleich alle Mahl nur mit einem Nebenbegriffe der Verachtung und des Hasses. Frisch glaubt, daß dieser Gebrauch daher seinen Ursprung genommen, weil der Taufnahme Johann oder verkürzt Hans anfänglich nur unter vornehmen Personen üblich gewesen. Andere halten es in dieser Bedeutung für ein altes Deutsches Wort, welches einen vornehmen Mann bezeichnete, indem Jornandes von den Gothen versichert, daß ihre Vornehmen und Reichen Anses geheißen. Die Patricii und Vornehmsten in den Städten hießen in Italien in den mittlern Zeiten häufig Antiani und Anciani, so wie die Waldenser ihre Ältesten und Vorgesetzten Ancianos nannten; wohin auch das Franz. ancien, alt, zu gehören scheinet. Bey den Sachsen in Siebenbürgen wird die Regierung von Bürgermeister, Stadtrichter und Stadthahnen verwaltet. Allein um des verächtlichen Nebenbegriffes willen, welchen Hans in diesem Verstande jederzeit bey sich hat, scheinet es vielmehr zu dem folgenden Falle zu gehören.

Denn eben um des häufigen Gebrauches dieses Vornahmens willen, ward es oft zu einem allgemeinen Nennworte einer jeden Person. In dem kaiserlichen Artikelsbriefe für das Kriegsvolk bey dem Fronsberg, heißt es nach dem Frisch: Es soll von niemand, er sey wer der wolle, Klein- oder Groß-Hans, ein Übelthäter aufgehalten werden. Und in Goblers Rechtsspiegel, gleichfalls nach dem Frisch: Knecht oder Rottmeister, Groß- oder Klein-Hans, d.i. ein jeder, er sey vornehm oder geringe. Besonders mit einem verächtlichen Nebenbegriffe. Ein dummer Hans, ein dummer, einfältiger Mensch. Er ist Hans in allen Gassen, er läßt sich überall antreffen. In einem andern Verstande ist Hans in allen Gassen, oder Hans Omnis, der Pöbel. Hans ohne Sorge, ein sorgloser Mensch. Hans hinter der Mauer, ein zaghafter Mensch. So auch in den Zusammensetzungen Fabelhans, Prahlhans, Schmalhans u.s.f. Hierher scheinet auch das Nieders. Hanke zu gehören, welches die Verfasser des Bremisch-Nieders. Wörterbuchs für unbekannt halten, welches aber allem Ansehen nach das verkürzte Nieders. Diminut. Johannchen ist, und auch Hannchen lautet. Hanke in der Noth, ein Nothhelfer. Hanke und alle Mann, ein jeder, und in einem andern Verstande, gemeiner Pöbel, Hack und Mack.

Es ist doch merkwürdig, daß dieser Taufnahme in allen Sprachen einen so verächtlichen Nebenbegriff bekommen hat. Das Schwed. Jan, das Engl. John, und das Ital. Zann, Zanni, welches gleichfalls dieser Nahme ist, bedeuten sehr oft einen dummen einfältigen Menschen, den der Deutsche große Haufe auch nur schlechthin einen Hans zu nennen pfleget. Carpentier führet v. Joannes Stellen an, woraus erhellet, daß das Franz. Jehan, und Jehannot, schon im 14ten und 15ten Jahrh. einen verächtlichen Nebenbegriff gehabt, und faire Johan bedeutete im 15ten Jahrh. zum Hahnrey machen. Woraus zugleich erhellet, daß das alte Hans, ein Geselle, Compagnon, (S. das folgende,) hier nicht in Betrachtung kommen kann.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 968-969.
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