[1063] 4. Der Heide, des -n, plur. die -n, Fämin. die Heidinn, plur. die -en, eine Person, welche außer der Erkenntniß des wahren Gottes lebet, ein Ungläubiger in weitern Verstande; daher im alten Testamente alle Völker außer den Juden, heut zu Tage aber alle außer den Juden, Christen und Türken, Heiden genannt werden, ob man gleich in den mittlern Zeiten auch die Türken mit zu den Heiden zu zählen pflegte. In einigen Gegenden sind sie Zigeuner unter dem Nahmen der Heiden in engerer Bedeutung bekannt. Auch ein noch ungetauftes Kind wird im gemeinen Leben häufig ein Heide genannt, weil es noch nicht auf eine sichtbare Art in die Gemeinschaft des wahren Gottes aufgenommen ist. S. Heidenhaut und Heidenhaar.
Anm. Man hat von diesem dunkeln Worte allerley Ableitungen versucht. Schilter leitet es von Heide, Hain, ein Wald, her, weil die abgöttischen Deutschen ihren Götzendienst vornehmlich in den Wäldern zu verrichten pflegten; Gudmund Andreä von dem alten Schwed. Heid, Reichthum, weil sie diesen als das höchste Gut verehret; Wachter von αθεος; Frisch und andere von εθνƞ, εθνικος, welche Ableitung dadurch einigen Schein erhält, daß in dem Angelsächsischen Gesetze das Griech. εθνƞ ausdrücklich durch Haethne gegeben wird, anderer Versuche zu geschweigen. Allein, wenn man die alte Schreibart dieses Wortes und dessen Gestalt in den verwandten Sprachen betrachtet, so wird man auf eine weit wahrscheinlichere Spur gerathen. Bey dem Ottfried heißt der Heide Heithiner, in den Monseeischen Glossen Heidaner, bey dem Notker, in dem Schwabenspiegel, bey den Schwäbischen Dichtern und fast bey allen Schriftstellern des mittlern Zeitalters, und selbst noch jetzt im Oberdeutschen der Heiden, im Engl. Heathen, im Holländ. Heyden, im Dän. und Schwed. Hedning, im Isländ. Heidin, im Goth. bey dem Ulphilas Haithns. Diese Endung -ner, -ning und verkürzt -n, beweiset deutlich, daß unser Heide eigentlich ein abgeleitetes Wort ist, welches von Heide, das Feld, das Land, im Gegensatze der Stadt (S. 3. Heide,) gerade auf eben die Art gebildet worden, wie das spätere Lat. Paganus von Pagus. Es ist bekannt, daß, als Constantin und dessen Söhne die Götzendiener aus den Städten verbanneten, sich diese auf das Land und in die Dörfer, in Pagos, begaben, und daselbst ihren Götzendienst in der Stille fortsetzten, daher sie von den Lateinischen Christen gegen das Ende des vierten Jahrhundertes Pagani genannt wurden. Als die Deutschen sich zur christlichen Religion bekannten, übersetzten sie nebst vielen andern christlichen Kunstwörtern auch dieses wörtlich, und nannten einen Götzendiener einen Heidener, einen Bewohner des flachen Landes, woraus mit der Zeit der Heiden, und noch kürzer der Heide geworden. Hieraus erhellet zugleich, woher das n in den übrigen Endungen außer der ersten kommt. In den mittlern Zeiten wurden in Schweden die Adeligen Hedin genannt; allein dieses Wort hat allem Ansehen nach einen andern Ursprung, und stammet mit unserm Adel vermuthlich von Aet, Geschlecht, her, so wie das mittlere Lat. Gentilis, von Gens, in eben dieser Bedeutung gebraucht wurde.
Gottsched, der alle gleichlautende Wörter von verschiedener Bedeutung auch durch die Schreibart unterschieden wissen wollte, schrieb Hayde, ein Wald, Heide, ein unfruchtbares Stück Land, und Heyd, paganus; allein zum Unglücke war er in Ableitung[1063] der Wörter, die doch hier den Ton angeben sollte, fast alle Mahl unglücklich, daher diese und andere Neuerungen auch nur bey einigen wenigen seiner nächsten Anhänger Beyfall gefunden haben.