Heimlich

[1079] Heimlich, -er, -ste, adj. et adv. welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist.

1. So fern es zunächst von Heim, das Haus, abstammet, bedeutet es, 1) * was sich in einem Hause befindet, zu demselben gehöret, und in weiterer Bedeutung, was aus einer und eben derselben Heimath ist, wofür in dem erstern Falle im Oberdeutschen auch heimisch üblich ist. Heimliche Thiere, Hausthiere. In den Deutschen Bibeln vor Luthern werden daher auch die Hausbedienten, Hausgenossen, die Heimlichen genannt. 2) Figürlich. (a) * Verwandt; in welcher Bedeutung es ehedem in Niedersachsen sehr üblich war. Like hemelik, gleich nahe verwandt, in den Bremischen Statuten. S. Oheim. (b) * Vertraut, wie Leute, die zu Einer Familie, zu Einem Hause gehören, gegen einander zu seyn pflegen. Den armen was er haimleich, in dem alten Gedichte auf Carls Feldzug bey dem Schilter. Schwed. hemlig, Lat. familiaris, von welchem es eine buchstäbliche Übersetzung ist. Besonders wurde es ehedem (c) * häufig von denjenigen Dienern, Ministern und Beamten eines Fürsten gebraucht, denen er sich und seine Geschäfte zunächst anvertrauete, welche vor andern einen Theil seines Hauses ausmachten, daher sie auch im mittlern Lat. Domestici und Familiares hießen. Daher ein heimlicher Rath, ein heimlicher Schreiber, ein[1079] Heimlicher, in den mittlern Zeiten so oft für einen geheimen Rath, geheimen Secretär und vertrauten Minister vorkommt.


Der meier und der richter

Der fuirsprech und der heimlicher,

der Burggr. von Riedenburg,


der vertraute Freund. Pharao nennte Joseph den heimlichen Rath, 1 Mos. 41, 45. David machte den Benaja zum heimlichen Rath, 2 Sam. 23, 23; 1 Chron. 12, 25. Die Weisheit ist der heimliche Rath im Erkenntniß Gottes, Weish. 8, 4. In den folgenden Zeiten, wo diese Bedeutung unbekannt wurde, oder das Wort heimlich etwas Niedriges bekam, gebrauchte man dafür das in diesem Falle ganz unschickliche geheimer Rath, geheimer Minister u.s.f. welches nicht einen vertrauten, sondern eigentlich einen verborgenen Minister bezeichnet. (d) * Zahm, von Thieren, wie solche Thiere zu seyn pflegen, welche sich in den Häusern und um den Menschen aufhalten, in welchem Verstande es im Oberdeutschen noch völlig gangbar ist. Heimliche und wilde Thiere, Buch der Nat. 1483. Im mittlern Lat. domesticus, wo auch domesticare zähmen bedeutet. Selbst unser zahm scheint durch Vertauschung des Hauchlautes mit dem Zischlaute davon abzustammen. (e) * Sicher zu wohnen, sicher an einem Orte zu bleiben, besonders in Ansehung der Gespenster; noch häufig im Oberdeutschen. Es ist hier nicht heimlich. (f) * Gütig, gnädig, freundlich. Wie ist dir Gott so hert und so unheimlich, Kaisersb. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt es in diesem Verstande mehrmahls vor. (g) * Heiter, fröhlich; besonders in Schlesien. Ein Mann steht unbewegt; es ist allezeit heimliches Wetter in seinem Gemüthe, Opitz.


Daß durch sein Singen Saat und Heiden heimlich werden,

Opitz.


Doch in allen diesen Bedeutungen ist es im Hochdeutschen veraltet, wo man es,

2. Nur noch gebraucht, so fern es zunächst von dem alten hemen, bedecken, verbergen, abstammet, wo es überhaupt etwas das verborgen wird, oder verborgen werden soll, bedeutet, so wohl so fern es ohne anderer Beyseyn, als auch so fern es ohne ihr Wissen, und auf eine ihnen verborgene Art und Weise ist und geschiehet. Ein heimlicher Ort, ein heimlicher Winkel, ein heimlicher Gang, eine heimliche Treppe. Das heimliche Gemach, weil man es gemeiniglich den Augen anderer zu entziehen pfleget; im Weichbilde die Heimlichkeit. Heimliche Örter, heimliche Theile des Leibes, welche der Wohlstand zu verbergen befiehlet. Heimliche Waffen bey sich führen. Eine heimliche Liebe, ein heimliches Verständniß, heimliche Sünden. Ein heimliches Anliegen haben. Wir haben nichts Heimliches. Ihr Auge verräth einen heimlichen Gram. Die heimliche Zauberkraft der Mannspersonen. Ingleichen als ein Nebenwort. Sich heimlich davon schleichen, ohne daß es andere gewahr werden. Sich heimlich verbergen. Jemanden etwas heimlich offenbaren. Heimlich zu etwas Befehl haben. Etwas heimlich mit jemanden verabreden. Etwas heimlich halten. Sich heimlich halten, sich vor andern verborgen halten. Jemanden heimlich nachstellen. Heimlich klagen, seufzen, weinen, sich freuen. Welche heimlich vergossene Thränen!

In diesen und wohl allen übrigen Fällen hat heimlich etwas niedriges an sich, wenigstens muß es in der Würde dem geheim nachstehen, daher man es am sichersten noch da gebraucht, wo von einer unerlaubten, oder unanständigen Sache die Rede ist. Dieß ist vermuthlich auch die Ursache, warum das Unschickliche dieses Wortes in folgenden Stellen einem feinen Gehöre so gleich[1080] merklich wird. Gottes heimlicher Rath, Hiob 15, 8. Zu mir ist kommen ein heimlich Wort, Kap. 4, 12. Die heimliche Weisheit, Kap. 11, 6; Ps. 51, 8. Die heimliche verborgene Weisheit Gottes, 1 Cor. 2, 7. Das heimliche Gericht Gottes, Weish. 2, 22. Die heimliche Wissenschaft. Zum heimlichen Gebrauche des Landesherren. Wo geheim der Würde des Gegenstandes weit angemessener ist.

Indessen findet außer dem noch ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen heimlich und geheim Statt. Dieser rühret von der Ableitungssylbe -lich in dem erstern Worte her, welches zunächst eine Ähnlichkeit bezeichnet, so daß heimlich eigentlich etwas bedeutet, was einem geheimen Dinge ähnlich ist, oder was geheim, verborgen gehalten wird, und adverbisch auf eine geheime verborgene Art; dagegen geheim verborgen selbst bedeutet. Man sagt daher auch aus diesem Grunde nicht richtig, alles was heimlich ist, wissen, Weish. 7, 21, sondern was geheim ist; nicht richtig die heimlichen Gerichte Gottes, sondern geheimen, weil sie nicht bloß verborgen gehalten werden, sondern an und für sich selbst verborgen sind; nicht eine heimliche Wissenschaft, so fern sie an und für sich unbekannt und verborgen ist, sondern eine geheime; nicht heimlich bleiben, sondern geheim; nicht das Heimliche an den Tag bringen, 2 Macc. 12, 41. Hingegen ist heimlich halten und geheim halten von Sachen gleich richtig, weil halten in dem zweyten Falle so viel als erhalten ist, und so viel bedeutet, als eine Sache in dem verborgenen Zustande erhalten, worin sie sich befindet.

Anm. Dieses Wort lautet im Nieders. hemelik, im Dän. hemmelig, und im Schwed. hemlig.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1079-1081.
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