[1113] Hêrāus, ein Nebenwort des Ortes, eine Bewegung aus einem Orte nach der redenden Person zu, zu bezeichnen; so wie hinaus die Bewegung von dem Redenden entfernet. Komm zu mir heraus, oder komm heraus, aus dem Hause, aus dem Zimmer. Bringe es heraus. Zuweilen stehet es auch elliptisch, so daß das Zeitwort verschwiegen wird. Nur heraus damit! d.i. sage es nur heraus. Heraus! kommt oder komm heraus.
Heraus, aus deiner Wolfesgruft,
Furchtbares Heldenheer,
Heraus, zum Streit in frische Luft,
Mit Muth und Schlachtgewehr!
Gleim.
Oft stehet es auch, wenn die Richtung der Bewegung in Absicht auf den Redenden unbestimmt bleibt, und da scheinet es zuweilen die Stelle des dar oder da zu vertreten, oder vielmehr für hier zu stehen, oft aber auch nur das aus zu verstärken; z.B. ich kann mich nicht heraus finden, d.i. daraus kann ich mich nicht finden, oder hieraus; ein Buch heraus geben, für ausgeben; heraus klauben, für daraus; sich Freyheiten heraus nehmen, u.s.f. Im Oberdeutschen war dafür ehedem auch ausher üblich, welches aber im Hochdeutschen veraltet ist.
Gebt uns den fremden Mann ausser,
Theuerd. Kap. 95.
Dieses Nebenwort kann fast allen Zeitwörtern zugegeben werden, welche eine Bewegung bezeichnen, wird aber von einigen eben so ungebührlich mit denselben zusammen gezogen, als solches in herab, herauf, hinaus, und hundert andern mehr geschiehet. Von den vielen Zeitwörtern dieser Art, welche in Gesellschaft dieses Nebenwortes, und zuweilen in figürlichem Verstande gebraucht werden, sind folgende eine kleine Probe.
Ackern. Einen Stein mit heraus ackern, d.i. ausackern. Arbeiten. Sich aus einem Orte heraus arbeiten, mit Arbeit aus demselben gelangen. Geben sie mir Zeit, mich aus diesem Wirbel aufrührischer Leidenschaften heraus zu arbeiten. Beichten. Etwas heraus beichten, es bekennen, es ausbeichten. Bekommen. Auf diesen Ducaten bekomme ich noch zehen Groschen heraus. Er bekommt nichts mehr heraus. Blasen. Den Staub heraus blasen, aus einem Dinge nach sich zu; ihn hinaus blasen, von sich weg. Brênnen. Das Feuer brannte schon zu den Fenstern heraus. Bringen. Bringt es zu mir heraus. Der Nagel sitzt so fest, ich kann ihn nicht heraus bringen, aus der Wand. Einen Flecken heraus bringen, aus dem Zeuge. In welchen Fällen es die Beziehung auf den Redenden verlieret. Fahren. Sie fuhren zu uns heraus, aus der Stadt. Die Flammen fuhren zu den Fenstern heraus. Ingleichen figürlich.[1113] Wer unvorsichtig heraus fähret, Sprichw. 12, 18, etwas unvorsichtig, schnell heraus saget.
Ey, fuhr der Koch heraus,
Lichtw.
Fallen. Da fielen die Kinder Benjamin heraus aus Gibea, Richt. 20, 21. Daß Hagel heraus fallen, aus den Wolken, Sir. 43, 16.
Feuern. Aus den Fenstern heraus feuern, d.i. schießen. Mit Kanonen heraus feuern, aus der Festung.
Finden. Ich kann mich nicht heraus finden, weiß nicht, wie ich aus dem Orte kommen soll, für hinaus; ingleichen figürlich, ich kann nicht daraus klug werden, kann den Zusammenhang, die Entstehungsart u.s.f. nicht begreifen.
Fließen. Laß deine Brunnen heraus fließen -auf die Gassen, Sprichw. 5, 16, wo billig hinaus stehen sollte.
Führen. Führe sie heraus zu uns, 1 Mos. 19, 5. Und führten sie heraus, Apostelg. 16, 39, wo es gleichfalls unrichtig für hinaus stehet.
Gèben. Er gab es mir zum Fenster heraus. Etwas heraus geben, eine Sache, welche man einem andern mit Unrecht, wenigstens seiner Einbildung nach, vorenthält, ihm ausliefern, einhändigen. Gib deinen Sohn heraus, er muß sterben, Jos. 6, 10.
Gib mir den Schöps heraus, eh geh ich nicht vom Flecke, die gelernte Liebe.
Ich habe ihm sechzehn Groschen darauf heraus gegeben, ich habe sie ihm gegeben, weil sie ihm noch gebühreten. Ein Buch heraus geben, veranstalten, daß es gedruckt werde, und es zum Drucke zubereiten, es ediren. Daher der Herausgeber, der solches thut, Editor.
Gehen. Alles Vieh gehe heraus mit dir, aus dem Kasten, 1 Mos. 8, 17, wo es irrig für hinaus stehet. Loth ging heraus (hinaus) zu ihnen, Kap. 19, 6. Ingleichen figürlich. Wenn er nur aufrichtig damit heraus gehet, es aufrichtig saget. Graben. Einen Schatz heraus graben, aus der Erde. Halten. Er hielt es zum Fenster heraus, nach mir zu; wenn aber ich die haltende Person bin, so muß hinaus stehen. Hängen, so wohl das Activum, als das Neutrum. Der Vorhang hängt zum Fenster heraus. Hêlfen. Ich will ihnen heraus helfen aus allen Örtern, Ezech. 37, 23. Hohlen. Ich will euch aus den Gräbern heraus hohlen, Ezech. 37, 12. Jagen. Jage ihn zu mir heraus. Aber 2 Mos. 23, 28, die vor dir heraus jagen die Heviter, stehet es irrig für hinaus. Kommen. Es kommt niemand zu uns heraus. Es kommt auf eins heraus, figürlich, es hat einerley Bedeutung, einerley Folgen. Das käme schön heraus, würde schön stehen, spöttisch. Wenn es heraus kommt, für auskommt, bekannt wird. Sie befürchten auch nicht, daß es heraus kommen wird, Gell. Dabey kommt nichts heraus, das bringt keinen Nutzen. Kriechen. Aus dem Neste heraus kriechen. Lassen. Jemanden heraus lassen, aus einem Orte nach sich zu. Sich über etwas heraus lassen, seine Meinung, seine Gedanken darüber äußern. Laufen. Die Mäuse sind heraus gelaufen aus ihren Löchern, Judith 14, 11. Müssen, wo alle Mahl ein anderes Zeitwort verstanden werden muß. Er muß heraus, d.i. kommen. Ich konnte mir nicht helfen, es mußte heraus, ich mußte es sagen. Es muß heraus, es muß bekannt werden. [1114] Nêhmen. Der König von Babel nahm von dannen heraus alle Schätze im Hause des Herren, 2 Kön. 24, 13. Da sie das Geld heraus nahmen, das zum Hause des Herren eingeleget war, 2 Chron. 34, 13. Sich allerhand Freyheiten heraus nehmen, figürlich, sich dieselben anmaßen. Platzen. Mit etwas heraus platzen, es plötzlich und unvorsichtiger Weise heraus sagen. Putzen. Jemanden heraus putzen, ihn durch Putz ein gutes äußeres Ansehen geben. Rêcken. Über wen wollt ihr die Zunge heraus recken? Es. 57, 4. Reichen. Reiche mir deine Hand heraus. Reißen. Bis daß wir sie heraus von der Stadt reißen, Jos. 8, 6. Ich will ihn heraus reißen, aus der Noth, Ps. 91, 15. Rinnen. Er riß den Fels, daß Wasser heraus rann, Es. 48, 21. Rücken. Mit der Sprache heraus rücken, etwas ohne Rückhalt sagen. Die Truppen rückten heraus, aus der Festung. Der Schwiegervater muß heraus rücken, muß sich bequemen Geld herzugeben. Sagen. Alles heraus sagen, nichts verschweigen. Sage es nur frey heraus. Schlagen. Die Kupfer heraus schlagen, sie außer dem Buche aus einander legen. Der Hauer hat sein Tagewerk heraus geschlagen, hat es durch Schlagen erfüllet. Schütteln. Daß die Gottlosen heraus geschüttelt würden, Hiob 38, 13. Springen. Das Wasser sprang heraus von der rechten Seiten, Ezech. 47, 2. Stêchen. Die Austern heraus stechen, aus der Schale. Stêcken. Den Kopf heraus stecken, zum Fenster, nach dem Redenden zu. Stehen. Der Balken stehet heraus, raget auswärts hervor. Steigen. Ich sahe sieben magere Kühe heraus steigen, aus dem Wasser, 1 Mos. 41, 19. Stoßen. Einen Pfropf heraus stoßen. Und man stieß sie heraus (hinaus) von Pharao, 2 Mos. 10, 11. Strêcken. Die Hand heraus strecken, aus dem Fenster. Die Zunge heraus strecken, aus dem Munde. Streichen. Eine Sache oder Person heraus streichen, figürlich, aber nur im gemeinen Leben, sie sehr loben. Siehe Streichen. Thun. Da that er seine Hand heraus, (hinaus,) 1 Mos. 3, 9. Als sie jetzt gebar, that sich eine Hand heraus, Kap. 38, 28. Tragen. Als er nahe an das Stadtthor kam, siehe, da trug man einen Todten heraus, Luc. 7, 12. Aber 4 Mos. 17, 9, und Ezech. 12, 7, stehet es irrig für hinaus. Treiben. Jesus ging zum Tempel Gottes hinein, und trieb heraus alle Verkäufer, Matth. 21, 12, besser hinaus. Wêrfen. Wirf es zum Fenster heraus, 1. Macc. 2, 36, stehet es irrig für hinaus. Wickeln. Sich aus einer Sache heraus wickeln, sich durch List oder Klugheit von derselben los machen. Sie wissen sich gut heraus zu wickeln, sich zu rechtfertigen. Wollen, wo alle Mahl ein anderes Zeitwort verstanden werden muß. Der Vogel will heraus, aus dem Bauer. Der Nagel will nicht heraus, aus der Wand. Er will nicht recht mit der Sprache heraus, will nicht recht bekennen, gestehen. Ziehen. Einen Nagel heraus ziehen, aus der Wand. Die Truppen zogen heraus, aus der Stadt, dem Redenden entgegen.
Buchempfehlung
Die Geschwister Amrei und Dami, Kinder eines armen Holzfällers, wachsen nach dem Tode der Eltern in getrennten Häusern eines Schwarzwalddorfes auf. Amrei wächst zu einem lebensfrohen und tüchtigen Mädchen heran, während Dami in Selbstmitleid vergeht und schließlich nach Amerika auswandert. Auf einer Hochzeit lernt Amrei einen reichen Bauernsohn kennen, dessen Frau sie schließlich wird und so ihren Bruder aus Amerika zurück auf den Hof holen kann. Die idyllische Dorfgeschichte ist sofort mit Erscheinen 1857 ein großer Erfolg. Der Roman erlebt über 40 Auflagen und wird in zahlreiche Sprachen übersetzt.
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro