Herz (1), das

[1144] 1. Das Hêrz, des -ens, Dat. -en, Accus. das Herz, plur. die -en; Diminut. das Herzchen, Oberd. Herzlein, zusammen gezogen Herzel.

1. Eigentlich, derjenige fleischige Theil in den thierischen Körpern, welcher einer umgekehrten Pyramide gleicht, zwischen den[1144] zwey Abtheilungen der Lunge fast mitten in der Brust lieget, und durch seine wechselweise Ausdehnung und Zusammenziehung, das Blut aus den Blutadern von allen Theilen des Leibes in seine Höhlen aufnimmt, und durch die Pulsadern wiederum ausstößet. Dadurch wird es zugleich das Werkzeug der natürlichen Wärme in den Menschen und Thieren, der Flüssigkeit des Geblütes und des Lebens. Jemanden den Degen durch das Herz stoßen. Es stößt ihm das Herz ab, sagt man im gemeinen Leben von dem Augenblicke des Todes. Das Herz schlägt, wenn es sich ausdehnet zusammen ziehet; es pocht, es klopft, wenn solches geschwinder und mit mehrerer Heftigkeit geschiehet als gewöhnlich, S. das Herzklopfen. Fühle, wie mir bey seinem Nahmen das Herz schlägt, Weiße. Ein Kind unter seinem Herzen tragen, in der edlern Schreibart, für, mit demselben schwanger gehen. Sein Herz mit jemanden theilen, alles. So lange mir das Herz im Leibe schlägt, so lange ich lebe. Da man schon von den ältesten Zeiten an das Herz für den Sitz der Seele und besonders des Willens und der innern Empfindungen gehalten hat, so hat solches zu vielen figürlichen R.A. Gelegenheit gegeben, worin Herz zwar seine eigentliche Bedeutung behält, die ganze Redensart aber doch eine Figur ist. Die Angst möchte ihm das Herz abstoßen, sagt man von einem sehr hohen Grade der Angst. Es will ihm das Herz abstoßen, von einem Menschen, welcher eine unruhige Begierde blicken lässet, ein Geheimniß zu entdecken. Der Gram frißt ihm das Herz ab, verkürzet sein Leben. Einem das Herz schwer machen, traurige Empfindungen in ihm erwecken. Nun ist mein Herz leichter, wenn diese Empfindungen gehoben oder vermindert werden. Nun da ist mir ein rechter Stein vom Herzen, in eben diesem Verstande. Es ist mir so enge um das Herz, wenn man eine geheime Sorge, einen geheimen Gram empfindet. Ich rede, wie es mir um das Herz ist, wie ich es empfinde. Ich weiß, wie es ihm ums Herz ist, was er empfindet. Wie warm wird mirs um das Herz! Mein Herz will mir brechen, von einem hohen Grade des Kummers, des Grames, der Wehmuth. Dieser Brief brach ihm das Herz. Darum bricht mir mein Herz gegen ihn, (über ihm,) daß ich mich sein erbarmen muß, Jer. 31, 20. Es ist ihm an das Herz gewachsen, von einem hohen Grade der Liebe, der Neigung gegen eine Sache. Das Geld ist ihm eben nicht an das Herz gewachsen. Die Hand, oder auch ohne Artikel, Hand übers Herz legen, seinen Empfindungen Raum geben. Ihr Kind ist zwar ungehorsam gewesen, aber ein Vater legt doch Hand übers Herz. Der Gram zerreißt mir das Herz, von einem hohen Grade des Grames. Da ward mein klopfend Herz vor Furcht und Angst zerrissen, Schleg. Und so viele andere Ausdrücke mehr, wovon einige noch im folgenden vorkommen werden.

2. Figürlich. 1) Der äußere Theil des Körpers, unter welchem sich das Herz befindet.


Fall an sein Herz, o Königinn, mit Zähren

Der Freude, fleuch an seine Brust,

Ramml.


Besonders die Brust. Das Schildlein auf dem Herzen des Hohenpriesters. Im Oberdeutschen pflegt man noch die äußere Brust des weiblichen Geschlechtes das Herz zu nennen. Mit bloßem Herze (Herzen) gehen, mit bloßer Brust. 2) Das Mittelste, das Inwendigste eines Dinges, in verschiedenen Fällen. In dem Herzen des Landes, mitten in dem Lande. Das Herz, oder die Markröhre, der Nelken. Das Herz, das Herzchen, die mittelsten zarten Blätter, in den Pflanzen; Nieders. die Herzpolle. Bey den Schiffern wird der mittelste Theil eines Dicktaues, welches aus einer gewissen Anzahl Fäden[1145] bestehet, worüber die übrigen Leinen geschlagen werden, das Herz genannt. Die mittlern Lateiner gebrauchen Cor und Corallum auf eben dieselbe Art. 3) Der menschliche Leib, doch nur in einigen biblischen Stellen. Gott erfüllet unser Herz mit Speise, Apostelg. 14, 17. Noch mehr die Lebenskraft. Wein erfreuet des Menschen Herz. S. auch Herzstärkend. 4) Am häufigsten die Seele des Menschen und deren besondere Fähigkeiten. Bey den ältern Juden wurde der Verstand häufig das Herz ( לב) genannt, daher es noch Hiob 12, 3 in Luthers Übersetzung heißt, ich habe so wohl Herz als ihr, wofür Michael. das Wort Gehirn gebraucht. Im Deutschen ist es in diesem Sinne nicht üblich, wo man es theils noch von den Gedanken des Menschen, theils aber auch, und zwar am häufigsten, von dem ganzen Empfindungs- und Begehrungsvermögen und dessen Äußerungen in besondern Fällen braucht.

(a) Die Gedanken, die innern Vorstellungen der Seele, im Gegensatze ihrer Bekanntmachung durch äußere Zeichen. Etwas in seinem Herzen behalten. Herz und Mund stimmen bey ihm nicht überein, er spricht nicht so wie er denkt. Im Herzen bethen, ohne ausgesprochene Worte; aus dem Herzen bethen, mit selbst gemachten Formeln, mit eigenen Worten, im Gegensatze des Bethens aus einem Buche. Aber mit dem Herzen bethen, und von Herzen bethen, gehören zur folgenden Bedeutung. Im mittlern Lateine hingegen ist corde, ex corde, cordetenus, so wie im Franz. par coeur, auswendig, aus dem Gedächtnisse, welches ohne Zweifel auch die erste Bedeutung der R.A. aus dem Herzen bethen, gewesen ist. Etwas seinem Herzen eindrücken, einprägen, seinen Gedanken, seinem Gedächtnisse, mit Einschließung des Einflusses auf das Begehrungsvermögen.

(b) Die innern Empfindungen, das ganze Begehrungsvermögen, der Wille im weitern Verstande; das Gemüth. So wohl

α) Überhaupt. Weß das Herz voll ist, davon gehet der Mund über. Erhebet eure Herzen zu Gott, richtet eure Gedanken und eure Begierden auf ihn. Jemanden in das Herz greifen, starke Empfindungen in ihm erwecken. Ihm das Herz erweichen, Empfindungen des Mitleidens, der Wehmuth in ihm erwecken. Das gehet zu Herzen, erweckt Empfindungen, hat Einfluß auf den Willen. Sein Herz verhärten. Ein hartes Herz haben, im Gegensatze eines weichen Herzens, oder der Fertigkeit leicht zu empfinden, leicht gerühret zu werden. Es gehet ihm nicht von Herzen, er empfindet es nicht so wie er spricht. Die Sprache des Herzens reden, der Empfindungen. Mein Herz sagt mirs, ich empfinde es auf eine dunkle Art. Ein Vaterherz, ein Mutterherz, ein Bruderherz, ein Tiegerherz haben, empfinden, wie ein Vater u.s.f. Es überwältigte mich die Bewegung eines zu vollen Herzens, Sonnenf. Von dem Herzen wegreden, so wie man es empfindet. Als er seine erste Angst von dem Herzen weggesprochen hatte. Mein Herz, von deinen Tönen erweicht, schmilzt vor süßer Wehmuth. Der, für den mein Herz in mir spricht. Etwas zu Herzen nehmen, davon auf eine anhaltende Art gerühret werden. Gott wirds zu Herzen fassen, Gell. Ein Herz und Eine Seele mit jemanden seyn, eben so wollen und denken wie er. Er hat mein ganzes Herz eingenommen. Sein Herz von jemanden abwenden. Sein Herz vor einem andern verschließen. Kein Herz zu jemanden haben, kein Vertrauen. Er ist nach meinem Herzen, so wie ich ihn wünsche. Etwas nicht über das Herz bringen können, seine Empfindungen nicht überwinden können, um etwas zu thun. Wenn wird mein armes Herz wieder ruhig werden? Der richtigste und beste Verstand ohne Anwendung[1146] auf das Herz, ist ein Schatz, der seinen Besitzer darben läßt, Gell. Mit dem Herzen bethen, mit Übereinstimmung der Gedanken und Begierden. Aus einem vollen Herzen, aus der Fülle des Herzens, mit sehr lebhaften Begierden und deren Ausdruck. Von Herzen gern, mit Übereinstimmung der lebhaften Empfindung. Jemanden von Herzen lieben, von Herzen hassen, von ganzem Herzen verabscheuen. Von Grund des Herzens, oder von Herzens Grund. Er lachte, aber man sahe, daß dieß Lachen nicht von Herzen kam. Im gemeinen Leben wird von Herzen auch in weiterer Bedeutung für sehr, in einem hohen Grade, gebraucht. Es war von Herzen schlecht. Er ist von Herzen arm. S. Herzlich. Nach seines Herzens Wunsch handeln. Das Herz möchte mir bluten, sagt man von einem hohen Grade der Wehmuth, des Kummers. Mit Herz und Mund versprechen. Pfui, schämen sie sich ins Herz! schämen sie sich aufrichtig. Sein Herz an eine Person oder Sache hängen, seine Begierden auf eine dauerhafte Art auf dieselbe richten, gemeiniglich nur im nachtheiligen und verächtlichen Verstande. Ein gutes, ein böses Herz haben, in Beziehung auf andere.


Nicht Erbrecht noch Geburt, das Herz macht groß und klein,

Haged.


β) Besonders mit dem Nebenbegriffe des verborgenen, geheime Empfindungen und Gedanken zu bezeichnen. Im Herzen aber war mirs lieb. Man kann niemanden in das Herz sehen. Etwas auf dem Herzen haben, ein geheimes Anliegen. Jemanden sein ganzes Herz entdecken, sein Herz vor ihm ausschütten. Sein Herz in den Schooß eines Freundes ausschütten. Offenbare ihm dein ganzes Herz. In seinem Herzen nach etwas trachten.

γ) Nach einer noch weitern Figur, auch eine Person, besonders in Betrachtung ihres Empfindungs- und Begehrungsvermögens. Sich alle Herzen verbinden, die Herzen, die Gemüther aller Menschen, mit denen man in Verbindung stehet. O was ist der Umgang mit großen Herzen für eine Wollust! Gell. So manches Herz das sich verirrte, hat an dem Freunde einen Retter gefunden, ebend. Besonders ist mein Herz, und im Diminut. mein Herzchen, im gemeinen Leben ein Ausdruck der vertraulichen Zärtlichkeit, womit geliebte Personen einander anzureden pflegen; da man denn, doch gleichfalls nur im gemeinen Leben, auch wohl Zusammensetzungen mit diesem Worte zu machen pfleget; Herzenskind, Herzensfrau, Herzensmann u.s.f. für geliebtes Kind u.s.f.

(c) Das Gewissen; ein besonderer Fall der vorigen Bedeutung. So uns unser Herz verdammet, 1 Joh. 3, 20. Damit, daß sie beweisen, des Gesetzes Werk sey beschrieben in ihrem Herzen, Röm. 2, 15. Und das Herz schlug David, nachdem das Volk gezählet war, 1 Sam. 24, 10. Frage dein Herz, es wird dir sagen, daß du Unrecht hast.

Anm. In dem Isidor, bey dem Kero, Ottfried und andern alten Schriftstellern bereits Herz, bey spätern Oberdeutschen Schriftstellern auch des Herczenleich. Die Gothische und die mitternächtigen Mundarten haben anstatt des Zischlautes nach ihrer Gewohnheit ein t, wie das Hairto bey dem Ulphilas, das Angels. Heort, das Englische Heart, das Nieders. Hart, das Dänische Hierte, und das Schwedische Hjerte, wohin auch das Griech. καρδια gehöret. Andern Sprachen fehlet der letzte Buchstab ganz, wie dem Griech. κεαρ, κƞρ und Lat. Cor; dagegen die Slavonischen Mundarten auch den vordersten Hauchlaut in den Zischlaut übergehen lassen, wie das Dalmat. Szarcze, das Böhm. Srdce, das Pohln. Sercze, und das Crain. Serze. Es können mehrere Wörter auf dessen Abstammung Anspruch[1147] machen; allein da man es doch zu weiter nichts als zu Muthmaßungen bringen kann, so thut man am besten, wenn man sich bey einem so alten Worte der Ableitung völlig enthält. Im Oberdeutschen wird dieses Wort auch, das Herz, des -es, plur. die -e, oder das Herze, des -n, plur. die -n, abgeändert.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1144-1148.
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