Hinter (1)

[1192] 1. Hinter, eine Präposition, im Rücken eines Dinges; im Gegensatze des vor. Es bezeichnet so wohl einen Ort, als eine Ordnung.

I. Einen Ort, wo es so wohl mit der dritten als auch mit der vierten Endung des Hauptwortes verbunden wird.

1. Mit der dritten Endung, ein Seyn, eine Ruhe in dem Rücken eines Dinges zu bezeichnen. 1) Eigentlich. Das hörete Sara hinter ihm, hinter der Thür der Hütte, 1 Mos. 18, 10. Bestelle einen Hinterhalt hinter der Stadt, Jos. 8, 2, 4. Hinter dem Tische sitzen. Hinter dem Ofen liegen. Hinter der Mauer wohnen. Hinter dem Vorhange stehen. Hinter der Hand sitzen, im Kartenspiele, im Gegensatze des Sitzens vor der Hand. Wohin auch diejenigen Fälle gehören, wo das folgende Zeitwort zwar eine Handlung, eine Bewegung bedeutet, welche aber doch als ruhend, als bleibend gedacht werden kann.

Der Herr schloß hinter ihm zu, 1 Mos. 7, 16. Mache die Thür hinter dir zu. Jemanden hinter der Thür suchen. Jemanden hinter dem Pfluge wegnehmen. Noch ist die Sonne nicht hinter dem Berge hervor gekommen. Du Fluß, der du mit blendendem Silberglanze hinter jenen grauen Bergen hervor rauschest, Geßn. Allein, Es. 57, 8 hinter der Thür und Pfosten stellest du dein Geheimniß, sollte billig die vierte Endung stehen; dagegen in der R.A. sich hinter einem Berge verstecken, auch die vierte Endung stehen könnte, hinter einen Berg. In eben dieser Gestalt hilft es verschiedene, größten Theils nur im gemeinen Leben übliche Arten des Ausdruckes bilden. Hinter der Thür Abschied nehmen, heimlich davon gehen, ohne Abschied weggehen. Hinter dem Berge halten, zurück halten, seine wahre Absicht, seine wahren Gedanken verbergen. Mit etwas hinter dem Berge halten, es nicht einem jeden bekannt machen. Er hat es hinter den Ohren, er besitzt mehr Fähigkeit, als man vermuthen sollte. Hinter den Ohren noch nicht trocken seyn, noch jung, noch nicht zu Verstande gekommen seyn. Hinter einer Sache stecken, sie in geheim betreiben, befördern. Es steckt was dahinter, es ist etwas Verdächtiges darunter verborgen. Ich muß sehen was hinter ihm steckt, was für ein Mensch er ist. Das hat etwas hinter sich, es ist etwas Wichtiges darunter verborgen. Es ist nichts hinter ihm, er ist ein unbedeutender Mensch, er besitzt keine Fähigkeiten. Es ist ein Schalk hinter ihm, er ist ein heimlicher Schalk. Er hat es hinter meinem Rücken gethan, ohne mein Wissen. 2) Figürlich, ohne Wissen des andern; wo es doch nur im Oberdeutschen am üblichsten ist. Der Knecht that es hinter seinem Herren, ohne dessen Wissen. Er hat es hinter mir gethan. Wo es mit Pronominibus im Oberdeutschen auch mit der zweyten Endung gefunden wird, hinter meiner, hinter seiner, ohne mein, ohne sein Wissen.

2. Mit der vierten Endung, eine Bewegung nach einem Orte, im Rücken eines Dinges. Loths Weib sahe hinter sich, zurück, 1. Mos. 19, 26. Die Wolkensäule trat hinter sie, 2 Mos. 14, 19. Er soll das Bocksblut hinein bringen hinter den Vorhang, 3 Mos. 16, 2. Boas legte sich hinter eine Mandel, Ruth 3, 7. Du wirfst meine Gebote hinter dich, Ps. 50, 17. Er kann weder hinter sich noch vor sich. Jemanden[1192] hinter die Ohren schlagen. Sich hinter die Thür stellen.


Es hören meinen Stolz Belt, Donau, Wolga, Rhone,

Und weichen hinter mich,

Raml.


So auch in den figürlichen R.A. Sich hinter eine Sache stecken, sie heimlich befördern. Sich hinter jemanden stecken, ihn ins geheim als ein Werkzeug zu Erreichung einer Absicht gebrauchen. Hinter eines Sprünge kommen, seine Schelmerey entdecken. Hinter die Wahrheit, hinter eine Sache kommen, sie entdecken, erfahren. Endlich bin ich doch hinter das Geheimniß gekommen. Recht als ob es der Himmel hätte haben wollen, daß ich hinter ihre Schliche kommen sollte, Gell. Jemanden hinter das Licht führen, ihn heimlich hintergehen.

Sich etwas hinter die Ohren schreiben, es sich merken, um es bey Gelegenheit ahnden zu können. Die Pferde hinter den Wagen spannen, eine Sache verkehrt anfangen.

II. Die Ordnung, mit der dritten Endung. 1) Hinter einander, einer hinter oder nach dem andern. Hinter einander gehen, trinken, laufen, werfen u.s.f. Sie starben alle hinter einander weg. Sechs Jahre hinter einander. Er aß frisch hinter einander weg, ohne abzubrechen. 2) Mit der Partikel her. Hinter jemanden her laufen, hinter ihm laufen und diese Ordnung behalten. Hinter ihnen her ausziehen, Ezech. 5, 14. Ich will das Schwert hinter ihnen her schicken, Jer. 49, 37. Ingleichen, hinter einer Sache her seyn, sie mit Eifer betreiben. Hinter einer Person her seyn, sie verfolgen; wofür man auch sagt, hinter ihr darein seyn. Wo es auch zuweilen eine Zeitfolge bedeutet, und die Gestalt eines Nebenwortes hat. Ich habe das Vergnügen noch lange hinter her empfunden, noch lange nachher. Sein Verhalten hinter her prüfen, nach geschehener Sache. Du wirst es hinter her bedauern. Für hinten nach.

Anm. 1. Im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart wird dieses Vorwort häufig mit dem Artikel zusammen gezogen; hinters, hintern, hinterm, für hinter das, hinter den, hinter dem.

Anm. 2. Dieses Vorwort wird mit Wörtern allerley Art zusammen gesetzet, wo es denn bald seine eigentliche Bedeutung behält, bald eine figürliche annimmt. Mit Partikeln, wie hinterhalb, hinterwärts, und das im gemeinen Leben übliche hinterrücks; wohin aber nicht hinter her (wenigstens nicht im eigentlichen Verstande,) und hinter einander gehören, welche keine wahren Zusammensetzungen sind. Mit Beywörtern, hinterlistig, hinterständig, hinterstellig u.s.f. Mit Hauptwörtern, dergleichen im folgenden viele vorkommen, wo es aber vielmehr das folgende Beywort ist. Endlich auch mit Zeitwörtern, wo der Ton von dem Vorworte auf das Zeitwort tritt, da es denn zugleich eine untrennbare Partikel ist, welche in den sonst gewöhnlichen Fällen nicht hinter das Zeitwort geworfen werden kann, sondern mit demselben vereiniget bleibet; dergleichen hinterbleiben, hinterbringen, hintergehen, hinterhalten, hinterlassen, hinterlegen, hinterschleichen und hintertreiben sind. Ich hinterbringe dir eine Neuigkeit, hintertreib die Sache u.s.f. Eben um deßwillen verlieren diese Zeitwörter auch in den zusammen gesetzten Zeiten das gewöhnliche Augmentum ge; er ist hinterblieben, die hinterhaltene Sache, hinterlegtes Gut. Das im gemeinen Leben übliche hinterstreichen, zurück streichen, weicht von dieser Regel ab, weil der Ton nicht nur auf dem Vorworte ruhet, sondern das Vorwort auch hinter das Zeitwort tritt, und diesem sein Augment lässet; er strich die Haare hinter, hinter gestrichen. Indessen scheinet es hier vielmehr das folgende Nebenwort hinter, für hinunter, zu seyn,[1193] daher man es auch billig getheilt schreibt, hinter streichen. Es gibt zwar noch einige Fälle, wo das Vorwort hinter in der Zusammensetzung mit Zeitwörtern den Ton hat, und daher auch hinter das Zeitwort geworfen wird; allein sie sind sehr elliptisch und nur im gemeinen Leben üblich. Er bleibt immer hinter, hinter uns, zurück, dahinter. Treib das Vieh hinter, dahinter.

Anm. 3. Bey dem Ottfried hinter, bey dem Notker hinder, bey einigen der neuern Oberdeutschen, so wie im Niedersächsischen, gleichfalls hinder, im Engl. behind. Die erste Sylbe dieses Wortes ist vermuthlich, so wie in hinten, das veraltete und noch im Schwedischen übliche Fürwort hin, jener, welches dem hi, dieser, entgegen gesetzet ist. Die letzte Sylbe hält Frisch für das Nebenwort dar, es kann aber auch das alte Ar, area, ein Ort, seyn; (S. Hier und Ort,) welches nur das t euphonicum vor sich angenommen hat. Im Oberdeutschen ist für hinter auch after und im Nieders. achter üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1192-1194.
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