Kippen

[1580] Kippen, verb. reg. welches auf eine gedoppelte Art gebraucht wird.

1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es eine Art eines Falles bedeutet, welcher theils durch Abgleitung von der Grundfläche, oder durch deren Wegrückung, theils durch das Übergewicht auf der einen Seite verursacht wird. Der Tisch kippt. Das Glas kippt, ist in Bewegung umzufallen. So auch in den Zusammensetzungen abkippen, umkippen, aufkippen, niederkippen. Da es in allen diesen Fällen nur von kleinern Körpern üblich ist, welche in und durch diese Art des Falles einen gewissen Laut hervor bringen, der dem Klange dieses Wortes gleicht, so scheinet es zunächst diesen Laut auszudrucken. Im gemeinen Leben auch keppen. Griech. κυπτειν.

2. Als ein Activum. 1) Stoßen, doch nur von gewissen Arten des Stoßes, wo der dadurch verursachte Laut durch dieses Zeitwort nachgeahmet werden kann. So kippt man an einigen Orten die Ostereyer, oder man kippt mit Ostereyern, wenn man zwey Eyer gelinde an einander stößet, um zu sehen, welches ganz bleibet. 2) Einen Körper auf die Ecke oder scharfe Seite heben; besonders so fern es mit der Spitze eines Hebels geschiehet. Am häufigsten in den Zusammensetzungen aufkippen, umkippen. Es scheinet hier das Intensivum von heben zu seyn, ohne doch die Onomatopöie auszuschließen. Indessen kann es auch zu Kipf, Gipfel u.s.f. gehören, weil diese Bewegung theils um die scharfe Ecke des Körpers geschiehet, theils vermittelst der Spitze des Hebels hervor gebracht wird. Im gemeinen Leben keppen.

Anm. Das Nieders. kippen, abhauen, gehöret nicht hierher, sondern zu kappen. Das gleichfalls Nieders. kippen, welches im Osnabrückischen genau besehen, in andern Gegenden aber figürlich aussuchen, auslesen, auswählen bedeutet, scheinet mit gaffen, von dem Nieders. kieken, genau sehen, gucken, und den Hochdeutschen kiesen und köhren, nur in der Ableitungssylbe unterschieden zu seyn, und sein Stammwort in dem mit dem Zischlaute verlängerten schauen zu finden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1580.
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