Kleid, das

[1615] Das Kleid, des -es, plur. die -er, Diminut. das Kleidchen, Oberd. Kleidlein. 1. In der weitesten und ohne Zweifel eigentlichsten Bedeutung, alles was einen andern Körper zu seiner Erhaltung oder Zierde bedecket, die Bekleidung; in welchem Verstande es nur noch in einigen einzelnen Fällen üblich ist. Das äußere Häutchen, womit ein Kind im Mutterleibe umgeben und an die Nachgeburt befestiget ist, führet im gemeinen Leben den Nahmen des Kleidchens. In der Seefahrt ist das Kleid das alte Tau- oder Segelwerk, womit die Taue und Kabeln zu ihrer Erhaltung umwunden werden. Im Niedersächsischen ist Kleidholz diejenigen Planken und Bohlen, womit eine Schleuse bekleidet wird. 2. In engerm Verstande, alles was zur Bedeckung des menschlichen Körpers oder der Theile desselben dienet, ein Kleidungsstück; gleichfalls nur in einigen Fällen, besonders in den zusammen gesetzten Beinkleid, Niederkleid. Besonders im Plural. Sich in den Kleidern zu Bette legen, in den Kleidern schlafen, in der gewöhnlichen Tagekleidung. Die Kleider anlegen, sich in die Kleider werfen. 3. In noch engerm Verstande, die Bekleidung, des Leibes, d.i. des Rumpfes, mit Ausschließung des Kopfes und der Füße. 1) Überhaupt, gleichfalls nur noch in einigen Fällen; besonders in den Zusammensetzungen Nachtkleid, Sterbekleid. 2) In engerer Bedeutung, eine solche Bekleidung des Leibes, so fern sie zugleich zur Zierde dienet, oder doch, so fern Personen von guter Lebensart sich in derselben öffentlich sehen lassen; zum Unterschiede von einem Schlafrocke, oder anderer bloß zur Bequemlichkeit dienenden Bekleidung. Ein Mannskleid, Weiberkleid, Kinderkleid, Oberkleid, Unterkleid, Sommerkleid, Winterkleid, Reisekleid, Jagdkleid, Ehrenkleid, Trauerkleid u.s.f. Eine Menge Kleider haben. Kleider machen Leute; das Kleid macht den Mann. Das Kleid macht keinen Mönch. Ein Kleid anlegen, anziehen, ausziehen. Ein Kleid ablegen, es nicht mehr tragen wollen. Bey dem männlichen Geschlechte bestehet das Kleid heut zu Tage aus dem Rocke und der Weste, zuweilen auch mit Einschließung der Beinkleider. Bey dem weiblichen ist es gemeiniglich eine lange Oberkleidung, welche nach Maßgebung der Gestalt und Mode besondere Nahmen bekommt; z.B. Leibkleid, Schnürkleid, Schleppkleid, Adrienne, Robe u.s.f. 3) Figürlich, dasjenige, womit ein Ding zum Schmacke bekleidet, oder bedecket ist; in der höhern Schreibart. Verzeihen sie der Natur, die einem Wurme ein schöner Kleid gab, als die feinste Kunst ihnen nicht geben kann, Geßn.

Anm. Bey dem Stryker Chlaid, im Schwabensp. Claid, im Nieders. Kleed, im Angels. Clatha, im Engl. Cloath, wo auch Cloth so wohl Leinwand und Tuch, als ein Kleid ist, im Dän. Kläde, im Schwed. Klaede, so wohl Tuch, als Kleid, wo auch Förklaede eine Schürze, und Armklaede ein Schnupftuch ist, weil man dasselbe ehedem um den Arm zu winden pflegte. Einige leiten es von dem Griech. χλωθειν, nähen, andere von dem Wallisischen clyd, warm, Lat. calidus, her, weil ein Kleid wärmet, noch andere von Lod, Hlod, Nieders. Lodde, Wolle, Dieterich von Stade von dem Goth. lodo, hloda, anhängen, anliegen, Frisch von liegen, weil man darin lieget, oder weil es auf dem Leibe anlieget, anderer zu geschweigen. Allein es ist[1615] wohl unstreitig, daß der Begriff des Deckens, wie in so vielen andern ähnlichen Wörtern, so auch hier der herrschende ist, der in dem zusammen gesetzten bekleiden noch so sehr hervor sticht. Es gehöret zu dem noch in den gemeinen Mundarten üblichen Lid, Lied, ein Deckel, welchem der gewöhnliche Gaumenlaut vorgesetzet worden. In Oberschwaben bedeutet Lid, Hlid noch jetzt eine Decke, und im Hoch- und Oberdeutschen ist Jnlid die innere Decke oder der innere Überzug eines Bettes, worein die Federn kommen, S. Indelt. Indessen da der Begriff der Zierde, des Schmuckes, in den meisten Fällen mit diesem Worte verbunden ist, der sogar bey dem folgenden kleiden in Einem Falle der herrschende ist, so stehet es dahin, ob nicht auch unser lassen, so fern es wohl aussehen, wohl anstehen bedeutet, im Nieders. und den mitternächtigen Mundarten laten, nicht mit in Betrachtung kommen könne.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1615-1616.
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