Kopf (2), der

[1710] 2. Der Kopf, des -es, plur. die Köpfe, Diminut. das Köpfchen, Oberd. Köpflein.

1. In der weitesten Bedeutung, ein jedes hervor ragendes Ding, in welchem Verstande es nur noch in einigen wenigen Fällen vorkommt. So wird in der Mechanik, der kurze Theil eines Hebels der Kopf genannt, im Gegensatze der Zunge oder des längern Theiles. In dem Hüttenbaue heißen die Hebearme oder die kurzen dicken Hölzer an der Welle, welche die Stämpel heben, auch Hebeköpfe und Köpfe; wo aber auch wohl zunächst auf das heben gesehen werden kann. Feldköpfe sind im Oberdeutschen kleine Gehölze oder Gebüsche, welche auf dem Felde stehen und sonst auch Feldbüsche genannt werden. In etwas engerer[1710] Bedeutung des obersten hervor ragenden Theiles eines Dinges ist der Kopf eines Berges dessen Gipfel, S. Koppe. Auch an den Mark- und Grenzsteinen wird der obere spitzige Theil der Kopf, der dickere untere Theil oder Fuß aber der Bock genannt.

2. In engerer Bedeutung, der runde oberste Theil eines Dinges. Der Kopf einer Stecknadel, welcher auch der Knopf genannt wird. Der Distelkopf, Mohnkopf, wegen ihrer runden Gestalt. Die Köpfchen an einigen Mosarten. Der Kopf eines Nagels. Der Kopf an einem Stücke Geschütz, der vordere erhabene Theil an der Mündung. Der Kopf an einer Tobakspfeife, der Pfeifenkopf; wo aber auch die Bedeutung eines hohlen Gefäßes Statt findet, S. 1. Kopf. Bey den Perruckenmachern führen die Wurzeln der Haare, welche sonst Kolben heißen, den Nahmen der Köpfe, hundert anderer Fälle zu geschweigen.

3. In der engsten Bedeutung, der gemeiniglich runde oder rundliche oberste Theil eines thierischen Körpers. Einem Ochsen den Kopf abhauen, ihn vor den Kopf schlagen. Einer Taube den Kopf eindrücken. Besonders des menschlichen Körpers.

1) Eigentlich, wo dieses Wort in der vertaulichen Sprechart am üblichsten ist, und besonders von solchen Personen gebraucht wird, welchen man keine vorzügliche Achtung schuldig zu seyn glaubt; dagegen in den entgegen gesetzten Fällen Haupt üblicher ist. Der Kopf thut mir weh, schmerzet mir. Das Wasser schlug ihm über dem Kopfe zusammen. Die Hände über den Kopf zusammen schlagen, ein Zeichen der Verzweilung. Mit bloßem Kopfe da stehen, mit unbedecktem Kopfe. Er ist einen ganzen Kopf kleiner als du. Jemanden den Kopf vor die Füße legen, ihn enthaupten. Den Kopf hängen, zum Zeichen der Traurigkeit, der Muthlosigkeit, siehe Kopfhänger. Den Kopf schütteln, zum Zeichen der Mißbilligung, der Verneinung. Sich den Kopf zurechte machen, den Kopfputz.

Daher so viele figürliche Redensarten, welche doch größten Theils nur in der vertraulichen Sprechart üblich sind. Über Hals und Kopf, in der größten Geschwindigkeit und Unordnung. Jemanden vor den Kopf stoßen, ihn beleidigen; doch nur von Beleidigungen geringerer Art. Jemanden bey dem Kopfe nehmen lassen, ihn in Verhaft nehmen lassen. Den Kopf aus der Schlinge ziehen, sich aus einer gefährlichen oder bedenklichen Sache heraus wickeln. Jemanden den Kopf biethen, ihm Widerstand leisten. Überall mit dem Kopfe durch wollen, alles mit Gewalt durchsetzen wollen. Jemanden etwas auf den Kopf Schuld geben, gerade zu, ohne alle Umschweife. Einem das Haus über dem Kopfe anstecken, eine pleonastische R.A. Einem zu Kopfe wachsen, ihm über den Kopf wachsen, eigentlich von Kindern, welche der Zucht ihrer Vorgesetzten entwachsen. Stand er etwa da, als wenn er vor den Kopf geschlagen wäre? Less. Und wenn ihr euch auf den Kopf setztet, sollt ihr sie nicht sehen, Weiße.


Es lernte Jost ohn Unterlaß,

Daß ihm der Kopf fast rauchte,

Haged.


Es ist schwer, viele Köpfe unter Einen Hut zu bringen, viele Personen Eines Sinnes zu machen. Der Scham den Kopf abgebissen haben, Fertigkeit besitzen keine Scham mehr zu empfinden. Einem den Kopf waschen, ihm einen derben Verweis geben. Sie haben sich die Köpfe in den Niederlanden wacker gewaschen, Less. sich geschlagen, Franz. Laver la tête à quelqu'un; entweder von dem Waschen des Kopfes in den Bädern, oder auch von dem Waschen der Köpfe der Kinder vor der Firmelung in der Römischen Kirche, welches ehedem am[1711] Palmsonntage geschahe, der daher auch Capitilavium genannt wurde, welches Wort im mittlern Lat. gleichfalls von einem bittern Verweise gebraucht wird.

Besonders so fern der Kopf der Sitz des Erkenntniß- und Begehrungsvermögens ist. Er weiß nicht, wo ihm der Kopf stehet, er ist sich seiner selbst fast nicht bewußt. Der Wein steigt in den Kopf, nimmt den Kopf ein, wenn er den Gebrauch des Verstandes hindert. Jemanden den Kopf zurechte rücken oder setzen, ihn durch Ernst auf bessere Gedanken bringen. Im Kopfe nicht richtig seyn, im Kopfe verrückt seyn, des gesunden Verstandes beraubt seyn. Mit dem Kopfe arbeiten, durch Nachdenken. Ich habe den Kopf so voll, daß ich unmöglich auf alles denken kann, habe so viele Dinge zu bedenken. Sich etwas in den Kopf setzen, den festen Vorsatz haben, darauf zu beharren. Ich weiß nicht, wer ihr den wunderlichen Gedanken von der Freyheit in den Kopf gesetzt hat, Gell. Der Kopf stehet ihm nicht recht, er ist übel aufgeräumet. Auf seinem Kopfe bestehen, seine Meinung hartnäckig vertheidigen, hartnäckig bey einem Vorsatze bleiben. Komme ich einmahl auf meinen Kopf, setze ich es mir einmahl hartnäckig vor. Mache mir den Kopf nicht warm, mache mich nicht ungeduldig, zornig.

2) Figürlich. (a) Die Gedanken, Vorstellungen. Das gehet mir in dem Kopfe herum, macht mir allerley Gedanken, Sorgen. Ich kann diese Sache nicht wieder aus dem Kopfe bringen. Schlagen sie sich die Sache aus dem Kopfe. (b) Das Gedächtniß. Aus dem Kopfe reden, schreiben. Etwas aus dem Kopfe hersagen. Ein Bild aus dem Kopfe zeichnen. Das habe ich schon im Kopfe, habe ich schon behalten, gemerket. (c) Die gesammte Fähigkeit etwas zu begreifen und einzusehen, das bestimmte Verhältniß der erkennenden Seelenkräfte. Einen guten, gelehrigen, offenen Kopf haben. Einen harten, schweren Kopf haben, etwas nicht leicht begreifen können. Ein glücklicher Kopf für die Dichtkunst. Nach seinem Kopfe leben, nach seinen Einsichten, nach seinem Gutdünken. Bey jedem Gegenstande unserer Leidenschaften wird zuletzt der Kopf stumpf, Zimmerm. Was die Gefühle des Herzens mehr als den kalten Beyfall des Kopfes interessiret. Er hat Kopf, sagt man im engern Verstande von jemanden, bey welchem sich ein glückliches Verhältniß der obern Erkenntnißkräfte gegen die untern befindet. S. Genie. Kopf für die Dichtkunst, für die Musik u.s.f. haben, natürliches Geschick. (d) Die Gemüthsart, die Gesinnung. Einen wunderlichen Kopf haben. Sich nach eines andern Kopfe richten. Ein Starrkopf, ein unbiegsamer, harter Mensch. (e) Das Leben, in einigen R.A. zunächst freylich als eine Anspielung auf die Strafe des Schwertes, zuweilen aber auch ohne dieselbe. Das wird dir den Kopf kosten. Darauf stehet der Kopf, die Strafe des Schwertes, und in weiterer Bedeutung die Lebensstrafe. Es wird ja den Kopf nicht kosten. Auf seinem Kopfe stehet eine Belohnung. (f) Ein mit einem Kopfe begabtes Geschöpf; wo es von Thieren nicht üblich ist, indem von denselben Haupt gebraucht wird, wohl aber zuweilen von Menschen, für Person. Die Compagnie besteht aus hundert Köpfen, aus hundert Mann. Es sind viele unruhige Köpfe in der Gesellschaft. Viel Köpfe viel Sinne. Besonders in Ansehung des Erkenntniß- und Begehrungsvermögens. Ein seltsamer, wunderlicher Kopf, ein Mensch von einer seltsamen, wunderlichen Gemüthsart. Ein lustiger Kopf. Durch die Nachlässigkeit der Lehrer werden oft die besten Köpfe versäumt, Leute von den besten Fähigkeiten. Gemeine Köpfe sind die beste Gesellschaft für schlechte[1712] Köpfe, Zimmerm. Ein dichterischer Kopf, eine Person, welche Fähigkeit für die Dichkunst hat.

Anm. In der zweyten Hauptbedeutung im Nieders. Kop, im Ital. Capo, im Lat. Caput, im Griech. κεφαλƞ, welche alle mit Kopf aus Einer Quelle herstammen. Der Begriff der Hervorragung, besonders aber der Ründe, ist in allen der herrschende; und dieser Begriff der Ründe ist vermuthlich auch die Ursache, warum Kopf in manchen Fällen unedler ist, als Haupt, welches von heben, erheben abstammet, und folglich einen edlern Nebenbegriff hat. Da diejenigen Wörter, welche eine Hervorragung bedeuten, auch alle Mahl ursprünglich eine Vertiefung bezeichnen, so gehöret auch Kopf in der Bedeutung eines Gefäßes hierher, so wie das Lat. Gibbus, die Deutschen Giebel, Gipfel, Hübel, Schopf, Zopf, und hundert andere mehr. S. auch Koppe und Kuppe.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1710-1713.
Lizenz:
Faksimiles:
1710 | 1711 | 1712 | 1713
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Traumnovelle

Traumnovelle

Die vordergründig glückliche Ehe von Albertine und Fridolin verbirgt die ungestillten erotischen Begierden der beiden Partner, die sich in nächtlichen Eskapaden entladen. Schnitzlers Ergriffenheit von der Triebnatur des Menschen begleitet ihn seit seiner frühen Bekanntschaft mit Sigmund Freud, dessen Lehre er in seinem Werk literarisch spiegelt. Die Traumnovelle wurde 1999 unter dem Titel »Eyes Wide Shut« von Stanley Kubrick verfilmt.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon