Lehnen (1)

[1981] 1. Lêhnen, verb. reg. welches in einer doppelten Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, in der Stellung von der senkrechten Richtung abweichen. Die Säule lehnet, stehet nicht gerade. Besonders und am häufigsten, in solcher Stellung einen andern Körper berühren, der den erstern dadurch in der Bewegung aufhält, einen Theil seiner Schwere träget. Der Stock lehnet an der Wand. Eine Schaufel, so bey der Wand leinet, Theuerd. Er linete uber sine krucke, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter. Doch in dieser ganzen Form ist es in den gemeinen Sprecharten, besonders Oberdeutschlandes, am üblichsten.

2. Als ein Activum, in einer von der senkrechten Richtung abweichenden Stellung an einen andern Körper legen. Lehne den Schrank an die Wand. Die Götzen, welche sich nicht aufrichten, so man sie lehnet, Baruch 6, 26. Eine jegliche Achse (an den vier Gestühlen) gegen der andern über, unten an den Kessel gelehnet, 1 Kön. 7, 30; wo es für legen zu stehen scheinet. Am häufigsten als ein Reciprocum. Sich auf etwas lehnen. Sich auf das Fenster lehnen. Sich auf einen Sack lehnen. Er lehnete sich an die Wand.

Das Hauptwort die Lehnung ist nicht üblich.

Anm. Bey dem Kero hlinen, im Tatian linen, bey dem Willeram leinen, im Oberd. noch jetzt leinen, im Angels. hlionan, hlynian, im Engl. to lean, im Dän. läne, im Schwed. läne, im Lat. clinare, im Griech. κλινειν, deren Gaumenlaut auch in den alten Deutschen Mundarten nicht selten ist. Es gehöret zu dem Beyworte lehne, abhängig, und scheinet mit legen und liegen Eines Geschlechtes und vielleicht ein Inchoativum von denselben zu seyn, welches vermittelst der Sylbe -nen aus ihnen gebildet worden; lehnen, leinen, für legenen, liegenen, anfangen zu liegen, mit der nicht ungewöhnlichen Ausstoßung des Gaumenlautes. S. -Nen. Bey dem Kero und im Tatian kommt hlinen und linen wirklich für liegen vor, und noch jetzt werden beyde Zeitwörter oft für einander gesetzt. Lehnet euch unter dem (den) Baum, 1 Mos. 18, 4; ruhet euch unter dem Baum aus, Michael. In den Zusammensetzungen ablehnen und auflehnen hat es einige figürliche Bedeutungen, welche dem Zeitworte legen gleichfalls nicht fremd sind.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1981.
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