Leyer, die

[2043] Die Leyer, plur. die -n, Diminut. das Leyerchen, Oberd. Leyerlein, ein Nahme eines zwiefachen musikalischen Werkzeuges. 1) Die Leyer der Alten, Lat. Lyra, war eine Art Harfe, welche anfänglich drey Saiten hatte, deren Zahl mit der Zeit bis auf sechzehen vermehret wurde. Sie wurde, wie die Harfe, mit den Fingern gespielet, und soll von dem Apoll seyn zur Vollkommenheit gebracht worden, daher sie auch seit dessen Zeit ein Sinnbild der Dichtkunst geworden ist. Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt, ist die Leyer am Himmel ein nördliches Sternbild, welches aus dreyzehn Sternen bestehet. 2) Unsere heutige Leyer ist ein sehr unvolkommenes eintöniges Saiten-Instrument, welches vermittelst eines mit einer Kurbel versehenen Rades gespielet wird, und nur noch unter dem großen Haufen einigen Beyfall findet. Es ist die alte Leyer – figürlich, die alte, bekannte Sache. Immer bey Einer Leyer bleiben, bey Einer Sache, bey Einer Neigung, bey Einem Vorgeben – im verächtlichen Verstande.

Figürlich bekommen verschiedene Dinge, welche so wie das Rad an einer Leyer umgedrehet werden, den Nahmen der Leyern. So wurde die Winde an einer Armbrust ehedem auch die Leyer genannt. In der Schweiz ist die Leyer eine Art Butterfaß, welches mit einer Handhabe zwischen zwey Hölzern umgedrehet wird. Die Leyer der Bortenwirker ist ein Stock mit einem beweglichen Querholze, die Kette zu Borten und Bändern von dem Schweiframen auf die Schweifspule abzuwickeln. Die Vogelsteller nennen eine auf Pfählen bewegliche Walze, welche mit[2043] Leimruthen besteckt wird, eine Leyer und nach einer verderbten Aussprache eine Leuer, Leure. In großen Küchen hat man Bratenleyern, oder Maschinen, mehrere Spieße zugleich vermittelst einer einzigen Kurbel umzudrehen. An dem Pfluge ist die Leyer ein zwieseliges Holz, welches durch das Pfluggestell gehet, und die Pflugwage trägt, woran die Pferde gespannet werden; vielleicht, weil es in einer beständigen Bewegung ist, daher es auch das Pflugwetter genannt wird.

Anm. Bey dem Ottfried Lira, im Nieders. Lier, Lire, im Engl. Lyre, im Dän. Lire. Wenn es auch von dem Griech. und Lat. λυρƞ, Lyra, herstammen sollte, so gehören doch diese zu dem Geschlechte der Wörter Lärche, lehren, Lärm u.s.f. In einigen Niedersächsischen Gegenden, z.B. im Meklenburgischen, heißt eine Leyer, aus einer ähnlichen Nachahmung ihres eintönigen Klanges, eine Ninnel.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 2043-2044.
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