Narr, der

[429] Der Narr, des -en, plur. die -en, Fämin. die Närrinn, Diminut. das Närrchen, Oberd. Närrlein, ein Wort, welches im gemeinen Leben sehr häufig ist, alle Mahl aber, das Diminutivum etwa ausgenommen, einen harten und niedrigen Begriff hat. Es bedeutet,

1) Einen Menschen, welcher seltsame Possen macht, andere zu belustigen. Ein Narr seyn. Sich zum Narren gebrauchen lassen. Einen Narren abgeben. Jemanden zum Narren dienen, eines Narr seyn, ihm zur ungereimten Belustigung dienen. Jemanden zum Narren haben, im gemeinen Leben, sich an seinen Schwachheiten auf eine ungebührliche Art belustigen. Jedes Narr seyn müssen. Daher Hofnarr, Schalksnarr u.s.f. In dieser Bedeutung lautet es auch im weiblichen Geschlechte Narr. In der vertraulichen Sprechart wird das Diminutivum Närrchen sehr häufig gebraucht, ein kleines, artiges, possierliches Ding zu bezeichnen, da es denn den harten und verächtlichen Nebenbegriff verlieret. Das gute Närrchen! Gell. von einer jungen Person. Ihr Herz ist ein gutes Närrchen, es läßt sich zu allem bereden, was ihrer Einbildung einfällt, Less.

2) Ein jeder Mensch, welcher der gesunden Vernunft auf eine grobe Art zuwider handelt, in der harten Sprechart, dagegen er in etwas gelinderm Verstande ein Thor genannt wird; im Gegensatze eines Klugen oder Weisen. Du bist ein Narr. Glauben sie, daß ich ein Narr bin? Jemanden zum Narren machen, ihn verleiten, ungereimte Dinge zu thun oder zu glauben. Jemanden zum Narren haben, ihm als einem Menschen begegnen, welcher der gesunden Vernunft zuwider zu handeln gewohnt ist. Einen Narren an etwas gefressen haben, in der niedrigen Sprechart, eine blinde unvernünftige Liebe auf etwas geworfen haben. Sich zum Narren studieren.

Da man der gesunden Vernunft auf gar mancherley Art zuwider handeln kann, so gibt es auch mancherley Arten von Narren. Ein guter Narr, welcher die Gutherzigkeit oder Nachsicht über die Gränzen der gesunden Vernunft treibt. Ein Büchernarr, Putznarr, Kindernarr, Kleidernarr, Modenarr, Weibernarr u.s.f. welcher die Bücher, den Putz u.s.f. auf eine ungeordnete, vernunftwidrige Art liebt. In der Deutschen Bibel ist das Wort Narr sehr häufig, einen unbesonnenen unvernünftigen Menschen, ja oft einen jeden Gottlosen zu bezeichnen. Verschiedene Schriftsteller haben sich Mühe gegeben, den Unterschied zwischen einem Narren und Thoren zu bestimmen, welche beyden Wörter in diesem Verstande als gleichbedeutend angesehen werden können; aber keiner hat bemerkt, daß Narr hart und niedrig, Thor aber um einige Grade gelinder und anständiger ist. Narr setzt grobe Fehler wider die gesunde Vernunft voraus, Thor hat diesen Nebenbegriff nicht.

Da das Geschlecht der Narren so zahlreich ist, und desto zahlreicher, je mehr jeder Mensch geneigt ist, nur sich mit Ausschließung anderer, Klugheit und Weisheit zuzuschreiben, so hat[429] man auch von dieser Art Menschen eine Menge Sprichwörter, Maximen, und sprichwörtlicher R.A. welche aber insgesammt nur in der Sprache des gemeinen Lebens einheimisch sind. Zur Probe dienen folgende. Narren muß man mit Kolben lausen, oder mit Keulen grüßen. Narren haben mehr Glück als Recht. Setze Narren nicht auf Eyer. So lange der Narr schweigt, hält man ihn für klug. Narren sind auch Leute. Hänge dem Narren nicht Schellen an, man kennt ihn so. Jedem Narren gefällt seine Weise, seine Kappe. Kinder und Narren reden die Wahrheit. Herren und Narren haben frey reden. Narren wirft man bald aus der Wiege. Ein Narr macht ihrer hundert. Die Narren wachsen ohne Begießen. Wenn die Narren kein Brot äßen, so würde das Korn wohlfeil seyn. Bey dem Trunke erkennt man den Narren. Ein Narr kann mehr fragen, als sieben Weise antworten, u.s.f. Worunter sich aber einige auf die vorige erste, einige aber auch auf die folgende Bedeutung beziehen.

Das Fämininum lautet in dieser Bedeutung bald der Narr, bald die Närrinn. In der vertraulichen Sprechart ist auch das Diminutivum Närrchen auf eine minder beleidigende Art üblich.

3) In engerer Bedeutung, ein Mensch, welcher des Gebrauches seiner Vernunft ganz unfähig ist; ein Wahnwitziger, Wahnsinniger, Alberner. Ein Narr werden. In dieser Bedeutung wird es, vermuthlich um die Zweydeutigkeit mit der vorigen Bedeutung zu vermeiden, wenig mehr gebraucht, obgleich Narrenhaus, Närrisch und noch einige andere noch in derselben üblich sind. Im weiblichen Geschlechte lautet es hier der Narr.

Anm. Im Nieders. Nare, im Dän. Nar, im Schwed. Narr. Die Abstammung ist dunkel und ungewiß, weil die meisten Wörter dieser Art Figuren enthalten, deren Veranlassung jetzt schwer aufzuspüren ist. Bey unsern ältern Oberdeutschen Schriftstellern kommt dieses Wort nicht vor; indessen ist es doch allem Ansehen nach sehr alt, denn im Angels. ist Narra, insania, und narriin, vecors. Ja Hesychius erkläret ναρƞ durch ƞ αφρων και μωρα. Die Ableitungen, welche man von diesem Worte hat, sind größten Theils verunglückt. Einige lassen es von narrare abstammen, weil manche Narren sehr schwatzhaft sind, Wachter von dem Griech. μωρος, da denn auch das Alban. ƞμαρρα, ein Narr, dahin gehören würde, Frisch auf eine überaus seltsame Art von dem Latein. Nare, nare detorta cavillari aliquem, Leibnitz von einem alten Nar, klein, da denn auch das Hebr. Naar, und Lappländ. und Finnländ. Nuori, ein Sohn, Jüngling, dahin gehören würden, anderer zu geschweigen. Im Griech. ist ναρχƞ träge, unachtsam.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 429-430.
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