[552] 2. O! ein Empfindungslaut, welcher der natürliche Ausdruck zunächst der Verwunderung, hernach aber auch fast aller lebhaften Gemüthsbewegungen mit allen ihren Schattirungen und Unterarten ist. 1) Der Verwunderung, so wohl der Verwunderung überhaupt. O, wie groß das ist! O, welch eine Tiefe! O, das ist zu viel! Als der fröhlichen, angenehmen Verwunderung. O, welch ein Glück! O, wie schön! O, der Entzückung! Weiße. O, was ist der Umgang mit großen Herzen für eine Wollust! Gell. Als auch der unangenehmen. O, welch ein Schmerz! O, welche Schande! O, Himmel! O, der Schande. 2) Einer jeden angenehmen Empfindung, nach allen Graden ihrer Stärke. O, wie mir das Herz schlägt!
O Anblick, der mich fröhlich macht,
Mein Weinstock reift und Doris lacht,
Haged.
Gegrüßet seyst du edles Licht,
O Sonne!
Weiße.
Vergönne doch auch der süßen Cythere
Den Zutritt, und, o! dem freundlichen Amor,
Raml.
wo das o! den freundlichen Amor mit Bewunderung gleichsam ankündiget. 3) Einer jeden unangenehmen Empfindung von der Verzweifelung, der auffahrenden Wuth an, bis zum kältern Hohne, und dem gelassenern Unwillen. O, du Ungeheuer! O, ihr Thoren und träges Herzens! Luc. 24, 25. O, du Kind des Teufels! Apostelg. 13, 10. O, welche Noth! O, der großen Noth! O, ich Elender! O, mich Unglücklichen! O, der kurzen Freude! Weiße. O, über den insamen Kalender, daß ein solcher Tag darinnen steht! Weiße. O, des klugen Mannes! ironisch. O, ich habe es wohl ehe gesehen, daß du hast gehen wollen! Gell. 4) Des Wunsches, des Mitleidens, der Sehnsucht. O, daß ich dieser Hoffnung gewiß wäre! O, daß ihr weise wäret! O, wenn er doch käme!
Du blutest armes Thierchen, du,
O, bissest du nicht an!
Weiße.
[552] 5) Ja fast einer jeden veränderten Gemüthsstellung, besonders in der vertraulichen Sprechart. O, gehen sie doch noch nicht! O, sieh doch mir erst ins Gesicht! Weiße. O, warum sagen sie es denn laut? Da es denn im gemeinen Leben, oft müßig ohne alle Gemüthsbewegung gebraucht wird. O ja, o nein, für das einfache ja und nein.
Anm. Dieser Empfindungslaut bindet sich so wie die Leidenschaft selbst, deren Dolmetscher er ist, an keine bestimmte Wortfügung. Man findet ihn so wie ach mit allen Endungen, ohne daß man eben sagen könne, daß er diese Endungen regiere, S. 2 Ach, Anm. 2. Im gemeinen Leben verstärkt man ihn bey schwächern Gemüthsbewegungen oft mit dem ho. Oho, finde ich dich da?
Diese Interjection lautet mit wenigen in allen Fällen üblichen Veränderungen fast in allen Sprachen O! Oh! Das Hebräische א#י, das Griech. οι, das Latein. Eheu! und unser ach, ah, ha sind genau damit verwandt, oder sind vielmehr nur verschiedene Aussprachen eines und eben desselben Lautes. Ach ist wegen des Hauchlautes im Oberdeutschen, besonders in den Ausdrücken des Schmerzens, der Wehmuth, der Klage üblicher, so wie die Niederdeutschen, und die Hochdeutschen in der vertraulichen Sprechart, o häufiger gebrauchen, welches doch in allen Mundarten der Verwunderung vorzüglich eigen ist; so wie es bey der sanften, angenehmen, schmeichelnden Bewunderung gern in das ey! Übergehet, welches wegen des kleinern Lautes ei schon eine Verkleinerung bezeichnet, S. I den Selbstlaut. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt es oft mit dem vorgesetzten Zischlaute vor. So we dir werlt! o, weh dir Welt! So helfe berndes trostes! o, des hülfreichen Trostes! S. Ach.