Sagen

[1246] Sagen, verb. reg. act. welches im weitesten Verstande einen gewissen Laut von sich geben bedeutet, dieser Laut oder Schall sey übrigens von welcher Art er wolle. Diese Bedeutung, in welcher es zugleich ein Neutrum ist, ist noch unter dem gemeinen Volke üblich, wo es von allen Arten der Laute oder Schälle gebraucht wird. Er fiel hin, das sagte patsch! Er bekam eins hinter die Ohren, das sagte klapp! In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist sagen durch vernehmliche Töne, durch Worte zu erkennen geben, bekannt machen; wo es allemahl ein Activum ist, welches dasjenige, was bekannt gemacht oder ausgedruckt wird, entweder in der vierten Endung oder in anderer Gestalt bey sich hat, wodurch es sich zugleich von den Neutris reden und sprechen unterscheidet. Es kommen zwar einige Fälle vor, wo es ein neutrales Ansehen hat, und für reden oder sprechen zu stehen scheinet, z.B. du hast gut sagen, da hilft kein singen noch sagen; allein diese Fälle sind selten.

1. Eigentlich. Was sagtest du? Ich habe es schon zwey Mahl gesagt. Sagen sie was? Ich sage nichts. Er sagte, er sey nicht hier gewesen. Ich sage, daß ich es thun will. Die Wahrheit sagen. Was sagen sie dazu, davon? Davon wäre viel zu sagen. Sage es nicht weiter. Zu allem ja sagen[1246] Ich habe ihnen etwas zu sagen, ich habe ihnen sehr viel zu sagen. Was sagt man von mir? Man sagt nicht viel Gutes von der Sache. Sage niemanden ein Wort davon. Sage es rund heraus, kurz und gut. Ich möchte doch wissen, was sie mir zu sagen hätte, Gell. Ich sage es ihnen frey heraus. Jemanden eine gute Nacht, einen guten Morgen sagen. Ich hätte es nicht gewußt, wenn man mir es nicht gesagt hätte. Sage mir nur, wie bist du dem bösen Menschen in die Hände gefallen? Weiße, Nicht verliebt, zärtlich, wollen sie sagen, Gell. Sagen sie ihr noch nichts von der Erbschaft. Sage es nur gerade heraus.

Wohin auch folgende besondere R.A. gehören. Einem Dank sagen, ihm danken. Für jemanden gut sagen, Bürge für ihn werden. Das ist genug gesagt. Was wollen sie damit sagen, zu erkennen, zu verstehen geben? Wie gesagt, wie ich gesagt habe.


Ich bin ihm, wie gesagt, nicht feind und auch nicht gut,

Gell.


Unter uns gesagt, wenn etwas eben nicht jedermann wissen soll. Und, zu dir gesagt, er war auch nicht der Mann, u.s.f. Weiße. Ich habe mir sagen lassen, man hat mir gesagt. Ich habe mir wohl sagen lassen, daß meine Frau Muhme sehr fromm ist, Gell. Wie, oder was ich ihnen sage, eine im gemeinen Leben übliche Art der Versicherung. Was ich ihnen sage, er ist wirklich da. Was ich ihnen sage, sie können die Frau Muhme jetzt nicht sprechen, Gell. Nein, was ich ihnen sage, es ist mir unmöglich. Das will ich dir hiermit gesagt haben, eine Formel, jemandem etwas mit nachdrücklichem Cruste zu sagen. Du hast von Glück zu sagen, du kannst dich für glücklich halten. Sie haben von Glück zu sagen, daß sie es dabey bewenden läßt, bloß Sykphen zu lieben. Mich däucht, er habe von Glück zu sagen, daß er noch so davon gekommen ist. Ich sagte nur so, im gemeinen Leben, für, ich sagte es nur im Scherze, es war nicht mein Ernst. Das lasse ich nicht von mir gesagt werden, das lasse ich mir nicht nachsagen. Geitz lasset nicht von euch gesagt werden, Ephes. 5, 3. Jemanden todt sagen, sagen, daß er gestorben sey.


Es sagte ohne alle Gnade

Die ganze Stadt Nigrinen todt,

Less.


Einem etwas sagen, und zu einem etwas sagen, sind nicht ganz einerley. Die letzte R.A. gebraucht man besonders, wenn man die Worte, welche gesagt werden, anführet. Er sagte zu mir, er wolle kommen. Wer will zu ihm sagen: was machst du? Hiob 9, 12. Wer zu seinem Bruder saget Racha und Narr, Matth. 2, 22.

2. In engerer und figürlicher Bedeutung. 1) Bedeutende und nicht bloß vernehmliche Worte sagen. Man muß wenig reden, aber viel sagen. Er plaudert oder spricht den ganzen Tag und sagt doch nichts. 2) Befehlen. Ich sage dir, u.s.f. Jüngling, ich sage dir, stehe auf! Luc. 7, 14. Das laß dir gesagt seyn. In einer Sache nichts zu sagen haben. Er hat hier nichts zu sagen. Wer hat mir was zu sagen? 3) Durch geschriebene Worte bekannt machen. Moses sagt u.s.f. Was sagt die Schrift? Röm. 10, 8. Man mag gern wie Montagne sagt, große Männer bey Kleinigkeiten belauschen. 4) Nach einer noch weitern Figur, auf jede andere vernehmliche Art bekannt machen. Mein Herz hat es mir längst gesagt. Mein Gewissen sagt mirs. Und doch sagt mir eine Ahndung, die ich lieb gewinne, daß ich ihn einmahl wiedersehen werde, Hermes. Die Eitelkeit, die dir sagt, daß deine Reitzungen groß genug sind, einen unbeständigen Liebling getreu und beständig zu machen, Dusch. Das Siegel sagt mir, daß der[1247] Brief von meinem Freunde kam. 5) Bedeuten. Was will das sagen? Das will so viel sagen.


Doch wenn ich die Natur

Nur einmahl recht verstehen sollte,

Und was ein Irrlicht sagen wollte,

Gell.


Augen vom schönsten Braun, die nichts mehr sagen. Mit einem Gesichte, das nichts sagte. Ingleichen, von Wichtigkeit seyn. Zehen Thaler wollen nicht viel sagen. Das will nichts sagen. Tausend Thaler wollen schon viel sagen. Es hat nichts zu sagen, es wird keine erhebliche Folgen haben. Das hat viel zu sagen.

Daher das Sagen, besonders in der ersten eigentlichen Bedeutung. Die Sagung ist nur in einigen Zusammensetzungen üblich.

Anm. Schon im Isidor sagan, bey dem Willeram gesagan, im Nieders. seggen, in den gemeinen Hoch- und Oberdeutschen Sprecharten sahn, er sahte, für er sagte, er seit, er sagt, im Engl. to say, im Angels. seegan, im Schwed. säga, im Isländ. seiga, im Wallis. sygaen, bey den ältesten Lat. seco, sequor, woraus vermittelst der gewöhnlichen Verwechselung des s und t nachmahls dico geworden, im Hebr. שוח. Es ist eine Onomatopöie, welche den Laut des Sagens nachahmet, und so fern dieser Schall auch andern Bewegungen gemein ist, gehören auch säen, sägen, zeigen u.s.f. dahin; so wie reden, sprechen, loqui, u.a.m. verschiedene mit ähnlichen Schällen verbundene Veränderungen bezeichnen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1246-1248.
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