Sammeln

[1268] Sammeln, verb. reg. act. mehrere Dinge Einer Art einzeln zusammen bringen. Die Steine von dem Acker, die Ähren von dem Felde sammeln. Phrases sammeln. Steine auf einen Haufen sammeln. Die Bienen sammeln Honig. Der Mahler sammelt, wählt und ordnet. Der Dichter sammelt alle Heldentugenden und schafft daraus seinen Helden. Ingleichen in der dichterischen Schreibart: Hier kühl ich meine Flügel im Rosenthau und sammle liebliche Gerüche, Geßn. In engerer Bedeutung, mehrere Dinge Einer Art einzeln, oder nach und nach in seinen Besitz bringen. Geld sammeln, Schätze sammeln. Seltene Bücher, Mineralien, Kupferstiche sammeln. Sammeln für ernten, wie Matth. 25, 24, ist ungewöhnlich. Von lebendigen Geschöpfen und Personen ist das intensive versammeln üblicher, obgleich das einfachere sammeln in dieser Bedeutung in der Deutschen Bibel sehr häufig ist, und auch noch außer derselben in der höhern und dichterischen Schreibart gebraucht wird. Ich will meine Kinder um mich her sammeln, Geßn.

So auch das Reciprocum, sich sammeln, einzeln, und nach und nach an einem Orte zusammen kommen. Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Örter, 1 Mos. 1, 9. Die Unreinigkeit sammelt sich auf dem Boden. Es sammelt sich, sagt man, wenn aus kleinen Schuldposten nach und nach eine beträchtliche Summe wird. Ingleichen von Personen, einzeln, nach und nach zusammen kommen. Sammlet euch, ihr Kinder Benjamin, Es. 48, 14. Sammlet euch alle und höret, Jer. 12, 9. Wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler. Wo die[1268] schöne Welt beym Spieltische sich sammelt, Geßn. Indessen ist doch auch hier das intensive versammeln üblicher, außer wenn man ausdrücklich andeuten will, daß die Zusammenkunft nach und nach und in einzelnen Individuis geschehe, wo sich sammeln besser schickt, als versammeln. Es sammeln sich Leute auf dem Markte, wenn sie nach und nach und einzeln zusammen kommen; sie versammeln sich, wenn sie in größerer Anzahl auf Ein Mahl zusammen kommen, von welchem Unterschiede der Grund in der intensiven Partikel ver liegt. Hiernach muß dasjenige berichtiget werden, was Gottsched von dem Unterschiede beyder Zeitwörter behauptete, wenn er sammeln allein auf leblose und versammeln allein auf lebendige Geschöpfe einschränkte. Figürlich ist sich sammeln, seine Gedanken sammeln, sich fassen, von einer Zerstreuung zu sich selbst kommen, sich seiner deutlich bewußt werden.

So auch die Sammlung, für das ungewöhnliche Sammelung, S. solches an seinem Orte besonders.

Anm. Bey dem Willeram samelen, im Schwed. samla, im Franz. sembler im assembler. Frisch kannte den Mechanismus der abgeleiteten Zeitwörter sehr schlecht, wenn er glaubte, daß das l aus dem Lat. simul herrührete. Sammeln ist ein abgeleitetes Zeitwort. Das Stammwort, welches im Hochdeutschen veraltet ist, hieß samen, welches noch im Isidor, bey dem Ulphilas und Ottfried vorkommt, und gleichfalls einzeln zusammen bringen bedeutete. In einigen Oberdeutschen Gegenden sagt man noch besamen für versammeln. Von diesem samen hatte man das Intensivum sammen, in eben der Bedeutung, und von diesem stammet, vermittelst der Endsylbe -eln, unser Frequentativum sammeln her. Hieraus erhellet zugleich die Unrichtigkeit der Schreibart sammlen, obgleich das e vor dem l um des Wohlklanges willen oft ausgestoßen wird; ich sammle für sammele, die Sammlung für Sammelung. Aber du sammlest, ich sammlete, für sammelst, sammelte, beleidigt das Gehör. Mit der gleichbedeutenden Endsylbe -nen sagte man für sammlen ehedem auch sammnen, bey dem Ottfried samanon, im Angels. samnian, im Schwed. samna. Das alte Stammwort samen ahmet den Laut nach, welchen mehrere sich versammelnde Dinge machen. Das Lat. simul, Summa, das Griech. ἁμα, ὁμου, u.s.f. sind nahe damit verwandt. S. Sam, Samen und Sammt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1268-1269.
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