Satt

[1283] Satt, -er, -este, adj. et adv. dem Magen nach voll, so daß die Eßlust durch genossene Speise und Trank befriediget ist; denn die bloße Abwesenheit des Hungers macht noch nicht satt.

1. Eigentlich. Satte Gäste. Ein satter (voller) Bauch, in der niedrigen Sprechart. Ein Satter weiß nicht, wie dem Hungerigen zu Muthe ist. Am häufigsten als ein Nebenwort. Satt seyn. Satt werden. Sich satt essen, sich satt trinken, sich nur halb satt essen. Jemanden satt machen. Nicht satt zu essen haben, nicht so viel haben, daß man sich satt essen könne. In der anständigen Sprechart gebraucht man für dieses, seiner eigentlichen Bedeutung der Fülle wegen, oft weniger edle Wort lieber gesättigt, gesättigt seyn, für satt seyn, und sich sättigen, für sich satt essen. Ist ein Hauptwort dabey, so stehet solches in der edlern Sprechart nach dem Muster der Oberdeutschen gern in der zweyten, übrigens aber auch in der vierten Endung. In beyden Fällen kann satt vor oder hinter dem Hauptworte stehen. Brot satt zu essen haben, Klagel. 5, 6; oder Brotes satt, satt Brotes zu essen haben. Sie werden des Brotes nicht satt haben, Hiob 27, 14. S. die folgenden Bedeutungen, wo diese Verbindungsart häufiger vorkommt.[1283]

2. Figürlich. 1) Durch hinlänglichen Genuß der Begierde nach befriediget, gestillet. Ein Satter, der seine Begierden, sein Verlangen befriediget hat, und daher keine Begierde weiter empfindet. Am häufigsten auch hier als ein Nebenwort. Das Auge siehet sich nimmer satt, das Ohr höret sich nimmer satt, Pred. 1, 8. Sich an etwas nicht satt sehen können. Sich satt lachen, schlafen, spielen u.s.f. seinen Trieb zum Lachen, sein Verlangen zu schlafen, zum Spielen völlig befriedigen. Etwas satt werden, nach dem hinlänglichen Genusse, nach vieler Übung einer Sache, sein Verlangen darnach befriediget haben. Er kann es nicht satt werden. Doch wurdet ihrs nicht satt, Gell. Auch hier mit der zweyten Endung des Hauptwortes, welches aber vorher gehen muß. Des Reichthumes nicht satt werden, Pred. 4, 8. 2) Durch häufigen Genuß oder Gebrauch Überdruß empfindend; nur als ein Nebenwort, welches hier gern ein Hauptwort in der zweyten Endung vor sich hat. Seines Lebens satt seyn, überdrüssig. Hingegen alt und Lebens satt seyn, bedeutet auch nur, daß man sein Verlangen zu leben gestillet habe, kein lebhaftes Verlangen nach einem längern Leben weiter empfinde.


Ich bin des armen Lebens,

So wie der Wünsche satt,

Günth.


überdrüssig. Man wird seiner bald satt. Sie sind meiner schon satt, Gell. Bey einigen auch mit der vierten Endung. Da würde ich meine Frau bald satt werden, Gell. Und wenn er alsdann das schöne Gesicht satt wäre, Less. 3) Für genug; Lat. satis. Satte Nahrung haben, Opitz, genug. Im Hochdeutschen nur als ein Nebenwort. Ich habe nicht satt Zeug dazu. Satt zu thun haben. 4) Zuweilen wird es auch von Farben gebraucht, und bedeutet alsdann dunkel, gleichsam eine völlig gesättigte Farbe. Ein sattes Gelb, sattgelb, dunkelgelb. Sattgrün u.s.f. So wie es Haller von dem Glanze gebraucht:


Die unzählbaren Heere,

Die ungleich satt von Glanz des mitgetheilten Lichts

In langer Ordnung stehn von Gott zum öden Nichts.


Anm. Schon bey dem Notker und Ottfried sat, bey dem Ulphilas sad, im Niederd. gleichfalls satt, im Engl. sated, im Pohln. syt, im Böhm. syty, im Lat. sat, satur. Da dieses Wort doch eigentlich die Empfindung des mit hinlänglicher Speise angefüllten Magens bedeutet, so scheinet es zunächst zu schütten zu gehören, so fern es ehedem überhaupt füllen, anfüllen bedeutet hat.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1283-1284.
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