Schöpfen

[1628] Schöpfen, verb. reg. welches der Form nach ein Intensivum von schaffen und schieben ist, seinem Wesen und Ursprunge nach aber eigentlich eine unmittelbare Nachahmung des Tones ist, den es bezeichnet, und daher von mehrern dem Anscheine nach verschiedenen Handlungen und Veränderungen gebraucht wird, welche aber mit diesem Laute verbunden sind, oder doch anfänglich unter demselben gedacht worden. Es kommt in doppelter Gestalt vor.

I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Das Wasser durch einen Ritz oder durch eine Öffnung einlassen. Das Schiff, der Kahn schöpfet Wasser, wenn beyde einen Leck haben. In einigen Gegenden sagt man auch, die Schuhe schöpfen Wasser, wenn sie Wasser ziehen, die Sonne schöpft Wasser, wenn sie Wasser ziehet. 2) Trinken; ein nur bey den Jägern üblicher Gebrauch, welche es von dem Wildpret, dem wilden Geflügel u.s.f. gebrauchen. Der Falk schöpft, er trinkt. Eben daselbst ist es auch active oder factitive gangbar; einen Habicht schöpfen, ihn tränken, ingleichen ihn baden, oder zu baden geben. 3) Blühen; wo es doch nur im Hopfenbaue von dem Hopfen gebraucht wird. Der Hopfen schöpft, blühet. Es scheinet, daß es hier zunächst von Schopf oder Kopf abstammet, weil der Hopfen, wenn er blühet, Schöpfe oder Köpfe bekommt.

II. Als ein Activum. 1. Mit einem Gefäße einen Theil eines flüssigen Körpers aus einem größern Vorrathe auffassen und wegnehmen. 1) Im eigentlichsten Verstande. Wasser schöpfen, es geschehe nun mit einem Eimer, einer Gelte u.s.f. Wasser mit dem Siebe schöpfen, vergebliche Arbeit verrichten. Aus einem Brunnen schöpfen. Einen Brunnen leer schöpfen. Einen Zuber voll schöpfen. Das Fett mit dem Löffel oben ab schöpfen. Bernstein schöpfen, ihn mit geflochtenen Körben aus dem Wasser hohlen, so daß das Wasser durchlaufe, der Bernstein aber zurück bleibe. 2) In weiterer Bedeutung wird es auch von der Einziehung des Athems und der Luft gebraucht. Athem schöpfen. Luft schöpfen.


Beklemmt mit Bangigkeit,

Schöpf ich nach Luft, und fast zerspringt mein Herz,

Weiße.


[1628] Frische Luft schöpfen, in die freye Luft gehen oder kommen. 3) Figürlich gebraucht man es auch, doch nur mit gewissen Hauptwörtern, für bekommen. Muth schöpfen. Aus der überwundenen Schwierigkeit schöpft die Vernunft Muth und Geduld zur neuen Arbeit, Gell. Hoffnung schöpfen. Trost aus etwas schöpfen. Nutzen aus etwas schöpfen. Einen Argwohn, einen Verdacht schöpfen. Im Oberdeutschen sagt man auch, einen Haß wider jemanden schöpfen, Eifersucht schöpfen, ein Verlangen, eine Begierde schöpfen, eine Meinung schöpfen u.s.f. Ingleichen eben daselbst für schließen, urtheilen; hieraus ist zu schöpfen, wo es aber auch zur folgenden Bedeutung gehören kann. 2. * Ehedem war es auch für urtheilen, richten, entscheiden, sehr gangbar, und noch jetzt sagt man im Österreichischen, ein Urtheil schöpfen, für fällen. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung längst veraltet, hat aber doch das Hauptwort Schöppe zurück gelassen, S. dasselbe. Schöpfen scheinet hier das Intensivum von schaffen zu seyn, entweder so fern es befehlen, entscheiden u.s.f. bedeutet, oder auch so fern es anordnen, verwalten, handhaben ist. Im Schwed. sagt man skippa Lagh oder Rätta, das Recht verwalten, handhaben. S. Schaffen. Indessen ist doch schon im Hebr. שפט richten, Recht sprechen. 3. * Hervor bringen, machen, bilden; gleichfalls als das Intensivum von schaffen. Auch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet, und kommt nur noch in einigen Oberdeutschen Gegenden vor. Ich habe die vom Herrn Baron von Wolf geschöpfte Nahmen und Ausdrücke beybehalten, sagt Klemm in seinem mathematischen Lehrbuche. Besonders gebrauchte man es ehedem in engerm Verstande von Gott, für schaffen, aus nichts hervor bringen, von welcher veralteten Bedeutung noch die Hauptwörter Schöpfer, Schöpfung und Geschöpf üblich sind, S. dieselben. So auch das Schöpfen, und in der letzten Bedeutung die Schöpfung, siehe dasselbe an seinem Orte besonders.

Anm. In der ersten thätigen Bedeutung, wo man es gewisser Maßen als ein Intensivum von schieben ansehen kann, bey dem Ottfried skepphan, im Tatian schephan, bey dem Willeram skeffan, im Nieders. scheppen, im Engl. to scoop, und schon im Hebr. שאף und שאב. Schaff, Schoppen, σκευος u. a. m. stammen davon ab, und sind nicht, wie gemeiniglich geglaubt wird, das Stammwort von schöpfen. Ohne Zischlaut und ohne Intension ist im Ital. cavare schöpfen, woraus zugleich die Verwandtschaft mit cavus, Kufe u.s.f. erhellet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1628-1629.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika