Schaffen

[1325] Schaffen, verb. reg. et irreg. act. et neutr. welches in letzten Falle das Hülfswort haben bekommt, und der Form nach ein Intensivum von einem veralteten Zeitworte schafen ist, von dem noch das irreguläre ich schuf herstammet, sich aber doch wie dieses auf eine Onomatopöie gründet, welche vornehmlich von doppelter Art ist.

1. * Als eine Nachahmung und ein Ausdruck der menschlichen Stimme, wo es nur noch in der Bedeutung des Befehlens üblich ist, aber auch hier nur im Oberdeutschen bekannt ist, indem den Hochdeutschen diese Bedeutung seltsam klinget. Was schaffen sie? was befehlen sie? Thue, was ich dir schaffe. Er hat mir nichts zu schaffen. Haben sie etwas geschafft? befohlen?


Der darf o hoch nicht traben,

Der solchen Freunden dient, die ihm zu schaffen haben,

Opitz.


Es ist hier im Oberdeutschen von regelmäßiger Conjugation, ehedem war es auch irregulär, und in manchen Gegenden ist es solches wohl noch. Wenigstens heißt es in diesem Verstande im Theuerdanke ich schuf, für, ich schaffete.

Als eine Onomatopöie der menschlichen, besonders befehlenden Stimme, fehlt es demselben nicht an Verwandten in andern Sprachen, und im Deutschen ist ohne Zischlaut auch keifen von einer Art der Stimme üblich. Indessen läßt sich diese Bedeutung auch als eine Figur einer der folgenden betrachten, besonders der des Anordnens. Im Schwed. ist skipa, welches alle Bedeutungen mit unserm schaffen gemein hat, deren aber noch mehrere besitzet, nicht nur befehlen, sondern auch richten, Recht sprechen, so wie im Nieders. schippen regieren, und im Hebr. שפט richten ist. S. Schöppe. Man erinnere sich, daß richten und dessen altes Stammwort rechen eben auch so wohl von der Stimme, als von dem Laute einer unarticulirten körperlichen Bewegung gebraucht wird.

2. Als eine Nachahmung einer schnellen geschäftigen Bewegung.

1) Überhaupt, mit regulärer Conjugation, wo es doch nur im gemeinen Leben und auch hier nur im Infinitiv üblich ist. Den ganzen Tag zu schaffen haben, immer in geschäftiger Bewegung seyn. Im gemeinen Leben hat man davon auch das neue Intensivum oder Iterativum schäften, wovon Geschäft und geschäftig[1325] abstammen. Viel zu schäften haben, immer in geschäftiger Bewegung seyn.

2) In engerer Bedeutung von verschiedenen besondern Arten der pflichtmäßigen, mit Bewegung verbundenen Wirkungen; wo es gleichfalls regulär abgewandelt wird, ehedem aber auch hier irregulär war, und es in einigen Oberdeutschen Gegenden noch ist.

(a) * Arbeiten; eine im Hochdeutschen unbekannte Bedeutung, welche aber in Schwaben, in der Pfalz u.s.f. noch gangbar ist. An einem Baue schaffen. Bey einem Meister als Gesell schaffen. Jemanden zu schaffen geben.

(b) * Bilden; eine gleichfalls im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche aber sehr alt ist. Bey dem Ruodebert im 9ten Jahrhunderte ist Scaffelosa Zimber ein ungebildeter Stoff, informis materia. Ottfried und Notker gebrauchen scaffen gleichfalls in dieser Bedeutung, so wie in derselben auch das Intensivum schöpfen üblich war. Im Nieders. ist schippen, im Angels. scipan, im Engl. to shape, und im Schwed. skipa, gleichfalls formen, bilden, eine Gestalt geben. Unser schaffen in der letzten engsten Bedeutung, Geschöpf, rechtschaffen, beschaffen, und die Ableitungssylbe -schaft sind genau damit verwandt. Im Oberd. ist geschaffen wohl gebildet, ungeschaffen, Nieders. wahnschaffen, übel gebildet.

(c) * In Ordnung bringen und erhalten, anordnen; ein mit der Bedeutung des Befehlens verwandter Gebrauch, der aber im Hochdeutschen gleichfalls veraltet ist. Die Nieders. schaffen und schippen haben indessen diese Bedeutung noch, so wie das Schwed. skipa und skaffa. Im Nieders. ist schaffen auch die Speisen anrichten und auftragen, und in der Pfalz heißt schaffen seinen letzten Willen bekannt machen, und jemanden etwas verschaffen es ihm vermachen. Siehe auch Schaffer und Schaffner.

(d) * Ausrichten, besorgen, ein aufgetragenes Geschäft zur Wirklichkeit bringen; auch nur in den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes. Daß die Wolken schaffen, alles was er ihnen gebeut, Hiob 37, 12. Im Schwed. auch hier skipa und skaffa.

(e) * Die verlangte Wirkung haben; eine den Hochdeutschen gleichfalls fremde Bedeutung. Pilatus sahe, daß er nichts schaffte, Matth. 27, 24, nichts ausrichtete. Das schafft nichts, hat keine Wirkung. Ungeschafft weggehen, unverrichteter Sachen. Im Schwed. skaffa und skapa.

(f) Machen, daß etwas gegenwärtig werde oder zur Wirklichkeit komme, zur Wirklichkeit bringen, so wohl als die wirkende Ursache, als auch, und zwar am häufigsten, als die Mittelsperson. Es ist hier zwar noch im Hochdeutschen gangbar, aber nur in einigen Fällen. Jemanden Geld schaffen. Ihm Rath, Hülfe, Beystand schaffen. Er weiß sich keinen Rath zu schaffen. Jemanden Ruhe, Friede schaffen. Schaffe uns Brot, 1 Mos. 47, 5. Schaffe mir Kinder, Kap. 30, 1. Ich will es dir für einen billigen Preis schaffen, machen, daß du es bekommest. Ich habe es ihm geschafft, habe gemacht, daß er es bekommen hat. Das ist wohl noch zu schaffen. Etwas herbey schaffen, machen, daß es gegenwärtig werde. Jemanden fortschaffen, ihn aus dem Hause schaffen, machen, daß er fortgehe, das Haus räume; wo es zunächst zu schieben gehöret, und vielleicht gar das Intensivum davon ist. So üblich es in diesen und andern Fällen ist, so ist es doch nicht ohne Einschränkung. Jemandes Bestes schaffen, 2 Macc. 11, 19, sagt man im Hochdeutschen eben so ungern, als, ich will dir viel Schmerzen schaffen, 1 Mos. 3, 16. Ich zweifele, daß man davon eine andere Ursache werde angeben können, als den Gebrauch. Denn es erhellet aus allen Umständen, daß dieses Zeitwort im Hochdeutschen[1326] gewisser Maßen ein Defectivum ist, zumahl da es in manchen Bedeutungen nur im Infinitiv allein gebraucht wird. In engerer Bedeutung, durch Mühe erwerben, und zuweilen auch für kaufen. Sich Kleider schaffen, sie erwerben und kaufen. Er kann sich nichts schaffen. Sich schöne Bücher schaffen. Sich ein Haus, einen Garten schaffen.

(g) Im weitesten Verstande, machen, thun, Veränderungen hervor bringen, wirken; doch nur am häufigsten im Infinitiv allein. Was hast du hier zu schaffen? zu thun. Ich habe da nichts zu schaffen. Bey mir hat er nichts zu schaffen. Mit jemanden zu schaffen haben, zu thun, in Verbindung mit ihm stehen, Geschäfte mit ihm haben. Ich habe nichts mit dir zu schaffen. In engerer Bedeutung, mit Mühe und vieler Bewegung und Anstrengung verbundene Veränderungen vornehmen, wo es sich der ersten Bedeutung des Arbeitens wieder nähert; auch nur im Infinitiv. Sich viel zu schaffen machen, viel Geschäfte. Das wird mir viel zu schaffen machen, viele Mühe. In den übrigen Miodis ist es zwar im Oberdeutschen, aber nicht im Hochdeutschen, üblich. Schaffe damit was du willt, Richt. 3, 4, d.i. thue, mache.

3) Im engsten Verstande ist schaffen etwas hervor bringen, welches vorher noch nicht da war; wo es doch nur im theologischen Verstande von Gott gebraucht, und alsdann irregulär abgewandelt wird; Imperf. ich schuf, Conj. ich schüfe; Mittelw. geschaffen; Imperat. schaffe. Es ist in dieser Bedeutung kein anderes als das vorige Zeitwort, welches hier nur die auch in den vorigen Bedeutungen im Oberdeutschen ehedem übliche irreguläre Form behalten hat. Man gebrauchte vor diesem auch das Intensivum schöpfen in eben diesem Verstande, bey dem Stryker schephen, im Nieders. scheppen, im Angels. sceppan, welches im Hochdeutschen zwar veraltet ist, aber uns doch sein Schöpfung, Schöpfer und Geschöpf zurück gelassen hat.

(a) Eigentlich und im strengsten Verstande, ein Ding seiner Substanz nach hervor bringen, etwas hervor bringen, was vorher ein Nichts war; in welchem Verstande es denn freylich nur von Gott gesagt werden kann. Gott hat die Welt geschaffen, so wohl, er hat die vorher nicht da gewesenen einfachen Dinge hervor gebracht, als auch, er hat aus diesen einfachen Dingen die Welt zusammen gesetzet. Schon bey dem Ulphilas skapan, im Isidor skaifan, und im Imperf. giscuaf, bey dem Willeram scaffen, im Angels. sceopan, im Schwed. und Isländ. skapa, im Nieders. schaffen und scheppen.

(b) Figürlich. (1) Im theologischen Verstande, und gleichfalls nur von Gott gebraucht, zufällige Beschaffenheiten, einen Zustand und die dazu nöthigen Veränderungen hervor bringen. Schaffe in mir Gott ein reines Herz. Es ist hier nur in der biblischen Schreibart üblich, wo diese Bedeutung unmittelbar mit der vorigen sechsten engern zusammen hängt. (2) Für hervor bringen überhaupt; doch nur in der dichterischen Schreibart. Der epische Dichter sammelt alle Heldentugenden und schafft daraus seinen Helden. Meine Brust klopft mir voll Unmuth, daß mich die Natur nicht männlich schuf, Weiße.


Ernstlich ist sie bemühet, auf ihren verblichenen Wangen

Künstliche Rosen zu schaffen,

Zach.


Daher das Schaffen, und in der dritten engsten Bedeutung die Schöpfung, von dem veralteten schöpfen für schaffen.

Anm. Ehedem hatte dieses Wort noch weit mehrere Bedeutungen, welche aber veraltet, und nur noch in den verwandten Sprachen üblich sind. Ottfried gebraucht es für geben, einem Dinge einen Nahmen schaffen; ingleichen, erhalten, bekommen, sie heili thar io scuasun. Im Nieders. theilen sich schaffen und schippen, und im Schwed. scaffa, skapa und skipa, in die[1327] Bedeutungen unsers Zeitwortes, welche doch eigentlich nur verschiedene Mundarten sind. Das mittelste bedeutet daselbst auch theilen, verändern, schicken, und mit einem Zaune einschließen, welche letztere Bedeutung sich unserm Schaff, so fern es einen hohlen Raum bezeichnet, nähert. Aus allen erhellet, daß dieses Zeitwort ursprünglich der Ausdruck einer lebhaften Bewegung ist, und in seinen Ableitungen und Verwandten durch alle die Bedeutungen und Figuren durch gehet, welche allen Wörtern dieser Art gemein sind, und wobey bey Sahl und 1 Saum eine kleine Probe gegeben worden. Zu der Bewegung in die Krümme, in die Tiefe, gehören unser Schaff, Scheffel, Schiff, Schoppen, mit allen ihren Verwandten; zu der Ausdehnung in die Länge aber unter andern auch Schaft. S. auch Schöpfen und die Ableitungssylbe -Schaft.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1325-1328.
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