Scheibe, die

[1392] Die Scheibe, plur. die -n, Dimin. das Scheibchen, Oberd. Scheiblein, im gemeinen Leben Scheibel, ein Wort, welches von dem veralteten Zeitworte scheiben abstammet, welches eigentlich eine Nachahmung eines gewissen Lautes ist, und vermöge einer sehr gewöhnlichen Figur mehrere Arten der mit diesem Laute verbundenen Bewegungen bedeutet hat, wohin denn auch schaben, schieben, schaffen u. a. m. gehören. Dergleichen Bewegungen sind z.B. die Bewegung in die Ründe, und die damit verbundene Bewegung in die Tiefe; noch im 14ten Jahrhunderte kommt scheiben häufig für drehen vor. Ferner die Bewegung des Schneidens oder Spaltens, (S. Säbel,) besonders in dünne Blätter, wie das Isländ. skyfa, in dünne Blätter schneiden; der Begriff der Ausdehnung in die Länge und Breite ohne Dicke, daher Scheibe und das Intensivum Schiefer und schiefern, welche sich auch als Figuren von schieben ansehen lassen, und andere sehr gewöhnliche Figuren mehr. Dieß voraus gesetzt, ist Scheibe 1) ein um den Mittelpunct beweglicher, flacher, dünner, runder Körper, der in manchen Fällen auch eine Rolle heißt. Von dieser Art sind z.B. die Scheiben in einem Kloben, welche an der äußern runden Fläche mit einer Rinne versehen sind, das Seil zu fassen; Nieders. Schive. Ferner die Drahtzieherscheibe, die Töpferscheibe, die Radscheibe u.s.f. 2) In vielen Fällen verlieret sich der Begriff der Beweglichkeit, und da ist die Scheibe ein runder oder rundlicher, auf beyden Seiten ebener, dünner Körper. Bey den Markscheidern ist die Scheibe derjenige Zirkel des Compasses, auf welchem die Stunden abgezeichnet sind. Die Sonnenscheibe, die Mondscheibe,[1392] die Sonne und der Mond, so fern sie sich dem Auge als dünne, flache, runde Körper darstellen. Die Schießscheibe oder Scheibe schlechthin, ein rund geschnittenes Bret, nach welchem geschossen wird. Nach der Scheibe schießen, nach einem solchen Brete. S. Scheibenschießen. Die Salzscheibe, in den Salzhütten, eine dünne, runde und flache Masse Salzes. S. die folgende vierte Bedeutung. Im Bergbaue sind die Scheiben rund geschnittene Stücken Leders, so wie sie zu den Kunstzeugen gebraucht werden. Einen Apfel, eine Wurst in Scheiben schneiden. Ein Scheibchen von einem Apfel. Das Scheibchen oder Scheibel ist bey den Jägern das dünne, flache rundliche Stück Erde, welches der Hirsch in Gehen mit den Schalen auffasset und von sich wirft. Im Niedersächsischen heißt ein rundes Tischblatt, und in weiterer Bedeutung, ein jeder Tisch, eine Scheibe. Die Kniescheibe ist ein erhabenes, rundliches, flaches Bein, welches das Schenkelbein mit dem Schienbeine verbindet. Die Jäger nennen das Hintertheil eines Hirsches so wohl die Scheibe, als auch den Schirm und den Schurz, wo aber auch ein anderer Begriff zum Grunde liegen kann. In allen diesen Fällen lautet es im Nieders. Shive, im Engl. Shive. Vermuthlich von der Ausdehnung in die Länge und Breite ohne Dicke, oder auch von theilen, schneiden. Im Schwed. ist skifva in dünne Blätter schneiden, und im Isländ. skyfa theilen; im Pohln. Skiba ein Stück. S. auch Schiefer und Schiefern. 3) In manchen, obgleich nicht so vielen Fällen, verlieret sich auch der Begriff der Ründe, und da ist die Scheibe ein flacher, dünner, in der Länge und Breite ausgedehnter Körper. Die Fensterscheibe oder Glasscheibe, Pohln. Szyba welche so wohl rund als viereckt seyn kann, ob es gleich auch hier zu der vorigen Bedeutung gehören kann, weil die runden Scheiben doch wohl die ältesten sind. Die flachen, langen, breiten und dünnen, aus lauter Zellen bestehenden Körper von Wachs, worein die Bienen das Honig sammeln, werden häufig Scheiben, Honigscheiben, und wenn sie von Honig leer sind, Wachsscheiben genannt. An andern Orten heißen sie Waben, Wesel, das Gewebe, die Mahrten, die Tafeln, das Rooß, die Gehren u.s.f. Im Hüttenbaue heißt der obere erkalkete Theil des geschmolzenen Kupfers oder Steines nach abgehobenen Schlacken, der die Gestalt eines Kuchens hat, die Scheibe. Scheiben reißen, diese Masse abheben. Bey den Tuchbereitern ist die Scheibe ein längliches Bretchen mit zwey Griffen, welches mit Hausenblase und Mauersande übergossen ist, womit die nach dem Scheren noch übrigen langen Haare völlig los gerissen werden. 4) In einigen Fällen tritt auch der Begriff der Tiefe, des hohlen Raumes mit ein, welcher unmittelbar aus der Ründe fließet. So ist bey den Papiermachern die Scheibe ein Sieb von Pferdehaaren in dem Löcherbaume, wodurch das Wasser und der Schmutz von den gestampften Lumpen abfließen. Die Salzscheibe ist in den Salzhütten ein hörzernes Gefäß von Böttcherarbeit, in Gestalt eines halben Fasses, worin das Salz verführet wird.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1392-1393.
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