Scheinbar

[1400] Scheinbar, -er, -ste, adj. et adv. welches nach Maßgebung des Hauptwortes Schein verschiedene Bedeutungen hat. 1. * Was sehr merklich gesehen wird, für augenscheinlich; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher Scimbar schon bey dem Notker vorkommt.


Liebt nicht mit Worten nur allein

Laßt eure Liebe scheinbar seyn,

Durch wahren Mund und rechte Thaten,

Opitz.


[1400] Im gemeinen Leben einiger Gegenden ist das verlängerte scheinbarlich noch in diesem Verstande gangbar. Gott hat ihn scheinbarlich gestraft. Ein scheinbarliches Wunder. Beydes für augenscheinlich. Ottfried gebraucht dafür das gleichfalls veraltete seinhalt. 2. Was einen Schein, d.i. ein helles Licht hat. 1) * Eigentlich; wo es gleichfalls veraltet ist. 2) Figürlich, ein gutes äußeres Ansehen habend; in welchem Verstande es noch hin und wieder gebraucht wird. Eine Waare scheinbar machen, ihr ein gutes äußeres Ansehen geben. So auch der Gegensatz unscheinbar. Nach einer noch weitern Figur gebraucht Notker scinbar für berühmt. 3. Den Schein von etwas habend, ohne es wirklich zu seyn, und in engerer Bedeutung, den Schein der Wahrheit habend. Die scheinbare Unschuld des Spieles verleitete ihn zur Sicherheit. Sie stand in einer scheinbaren Verlegenheit auf. Ein scheinbarer Vorwand, eine scheinbare Entschuldigung, scheinbare Gründe. Eine scheinbare Tugend. Der scheinbare Ort eines Sternes, der Ort, wo der Stern gesehen wird, aus welchem er uns in die Augen fällt; im Gegensatze des wahren Ortes, wo er wirklich befindlich ist. In allen diesen Fällen wird Schein, dem was die Sache wirklich ist, mehr oder weniger entgegen gesetzet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1400-1401.
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