[1440] Schieben, verb. irreg. ich schiebe, du schiebst (Oberd. scheubst,) er schiebt (Oberd. scheubt;) Imperf. ich schob; Mittelw. geschoben; Imperat. schieb (Oberd. scheub). Es ist in doppelter Gestalt üblich.
I. Als ein Activum, auf einer horizontalen oder fast horizontalen Fläche einen andern Körper nach und nach so vor sich her fortdrücken, daß man allemahl dessen Stelle einnehme; wodurch sich das Schieben von dem Ziehen, Drücken, Heben, Stoßen u.s.f. unterscheidet. Einen Kasten fortschieben. Den Tisch an die Wand schieben. Den Wagen in den Schuppen schieben. Schieben helfen. Den Riegel vorschieben. Etwas uneigentlicher schiebt der Ochse in der Landwirthschaft, wenn er den Wagen oder Pflug vermittelst der Stirn ziehet. S. Schiebochs. Brot in den Ofen schieben, wie die Bäcker thun. Etwas auf die lange Bank schieben, figürlich, eine Sache auf eine unbestimmte[1440] künftige Zeit aussetzen. Im Oberdeutschen schiebt man auch den Bissen in den Mund, man schiebt etwas in die Tasche, wo man im Hochdeutschen das Zeitwort stecken gebraucht. Sich schieben, das Reciprocum, aus seiner horizontalen Lage seitwärts verrücket werden. Das Papier hat sich geschoben. In der R.A. Kegel schieben wird es für rollen oder schießen gebraucht, indem es sich hier eigentlich auf die Kugel beziehet. Es ist hier ohne Zweifel ein Überrest einer Oberdeutschen Bedeutung; wenigstens sagt man daselbst noch im Diminutiv schiebeln von dem Rollen kleiner Körper. Figürliche Arten des Ausdrucks sind: einem etwas in das Gewissen schieben, es ihm vor Gott und Menschen zu verantworten überlassen, es seinem Gewissen heim stellen. Die Schuld auf jemanden schieben. Einen Antrag von sich schieben, ablehnen. Ehedem wurde es auch für befördern gebraucht, wovon unser Vorschub noch ein Überbleibsel ist. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird es auch noch für schicken, senden, gebraucht. Jemanden zu etwas schieben und ordnen, senden und abordnen, Tschudi bey dem Frisch. Daher ist noch zu Wien der Schub der Transport des liederlichen Gesindels auf der Donau nach Ungarn.
II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben; doch nur in einigen Fällen des gemeinen Lebens. 1) In der Landwirthschaft schiebt ein Thier oder es schiebt Zähne, wenn es die Jugendzähne verlieret, weil die neuen Zähne die alten gleichsam vor sich her schieben. 2) Auch das Wachsen der Gewächse wird zuweilen schieben genannt. Die Pflanzen haben gut geschoben, sind merklich in die Höhe gewachsen. 3) Im Gehen schieben, mit voraus gestrecktem Kopfe träge und schwerfällig gehen, als wenn man etwas schöbe. So auch das Schieben.
Anm. Bey dem Ottfried im Imperf. scoub, im Schwabenspiegel schiuban, im Nieders. schuven, im Angels. scusan, im Englischen to shove, im Schwedischen skusva. Es ist, wie alle Zeitwörter, eine Onomatopöie, welche den mit dem schieben verbundenen Laut nachahmet; und da dieser Laut mehrern sonst verschiedenen Handlungen gemein ist, so wird sich auch nicht leicht eine Beschreibung dieses Wortes geben lassen, welche genau auf alle Fälle paßte. Die obige ist auf die meisten gerichtet, denn es gibt freylich auch Fälle, wo man ein Ding senkrecht in die Höhe und niederwärts schiebet, wie z.B. einen Schieber, obgleich für diese Richtungen drücken, heben u.s.f. in andern Fällen üblicher sind. Das Hebr. שיב, sich umwenden, scheint damit verwandt zu seyn. Das Intensivum von unserm schieben ist schuppen, mit einem Stoße schieben, Franz. chopper. Die im Hochdeutschen irreguläre Form des Präsens kommt unter andern auch bey dem Opitz vor:
Scheub nur auf Gott dein Thun und alle Sachen.