Schmeicheln

[1562] Schmeicheln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches die dritte Endung der Person erfordert. 1. Eigentlich, sich vor jemanden schmiegen, um ihm liebzukosen, in welcher Bedeutung es, so wie die Lateinischen adulari und cevere, welches letztere Persius gleichfalls für schmeicheln gebraucht, eigentlich den Hunden zukommt, wenn sie auf solche Art durch Schmiegen und Wedeln liebkosen. Der Hund schmeichelt seinem Herren. In weiterer Bedeutung gebraucht man es noch sehr häufig für liebkosen, besonders so fern es mit Streicheln und Lächeln verbunden ist. Das Kind schmeichelt seiner Mutter, die Mutter dem Kinde. Da es denn auch von einem mit Schmeicheln und Liebkosen begleiteten Bitten, ja von einer jeden übertriebenen Freundlichkeit gebraucht wird. Schmeicheln können. 2. Figürlich. 1) Angenehme Empfindungen und Vorstellungen erwecken; doch von den Empfindungen nur selten.


O, wie lieblich schmeichelst du

Unsern Seelen,

Weiße.


Am häufigsten, eine angenehme, obgleich noch ungewisse Hoffnung erregen und unterhalten. Sich mit der Hoffnung schmeicheln. Schmeichle dir nicht mit einer Hoffnung, die leicht fehl schlagen kann, Weiße. Das Hauptwort Hoffnung läßt sich hier nicht ohne merkliche Härte verschweigen, ob es gleich sehr häufig geschiehet. Ich schmeichelte mir, daß er kommen würde. Man schmeichelt sich meistens vergebens, den Wissenschaften außer der Ehe besser zu leben, Gell. Allenfalls läßt sich diese Verheißung entschuldigen, wenn das Zeitwort absolute stehet. Ich hoffete – doch ich schmeichelte mir vergebens. Im Oberdeutschen gebraucht man es hier auch mit der zweyten Endung. Wir können uns einer erwünschten Auskunft der bevor stehenden Unterhandlungen schmeicheln; wo der Genitiv von dem ausgelassenen[1562] Hauptworte Hoffnung herrühret. 2) Jemanden mit Vorsatz und um dessen Gunst zu gewinnen ungegründete Vorzüge beylegen. Vortrefflich schmeicheln können. Der Arzt schmeichelt dem Kranken, wenn er dessen Zustand vortheilhafter schildert als er ist, der Mahler dem, welchen er mahlet, wenn er die Fehler verbirget, oder ihn schöner mahlt, als er ist, der Hofmann dem Fürsten, wenn er ihm Vorzüge beyleget, die er nicht besitzet. Ein Prediger, Arzt und Mahler müssen nicht schmeicheln. Sie schmeichelten ihm und sagten, er habe vollkommen Recht. So auch das Schmeicheln.

Anm. 1. Oft gebraucht man dieses Zeitwort in der passiven Form. Bin ich nicht geschmeichelt? fragt man wohl, wenn man sich hat mahlen lassen. Allein da dieses Zeitwort ein Neutrum ist, so ist solches unrichtig. Über dieß kann die erste Endung im Passivo nur alsdann Statt finden, wenn das Activum die vierte Endung erfordert. Da nun schmeicheln die dritte zu sich nimmt, so müßte man, wenn es auch ein Passivum litte, sagen: ist mir nicht geschmeichelt worden?

Anm. 2. Die Endsylbe -eln zeiget schon, daß dieses Wort ein Intensivum oder Diminutivum ist. Das im Hochdeutschen veraltete Stammwort schmeichen kommt statt desselben bey dem Hornegk und den Schwäbischen Dichtern in allen Bedeutungen unsers Schmeicheln vor, und bey dem Willeram sind Smeiche Schmeicheleyen. Die Holländer und Niedersachsen sagen gleichfalls smeken, die Schweden smeka, die Dänen aber nach einer andern intensiven Form smigre. Wachter leitete es von dem Griech. μειλιχος, süß, sanft, gelinde, ab, Ihre aber läßt es von små, klein (siehe Schmächtig,) abstammen. Frisch war auf den sonderbaren Einfall gerathen, daß es wohl von Schmauch abstammen und so viel bedeuten könne, als jemanden einen wohlriechenden Rauch zuwehen, ihm räuchern, wobey er sich auf das Franz. flatter berief, welches auch so viel bedeuten sollte, als jemanden einen angenehmen Hauch zublasen. Gottsched ergriff diese Ableitung bloß, weil sie neu war, und wollte ihr zu Folge das Wort schmäucheln geschrieben wissen. Vergebens stellte man ihm vor, diese Neuerung sey so wohl der Aussprache als dem ganzen langen Gebrauche entgegen, die Gewohnheit des Räucherns aus Ehrerbietung sey bey den Abendländern nie üblich gewesen, am wenigsten bey den Deutschen, Schmauch bedeute keinen angenehmen, sondern allemahl einen dicken, beschwerlichen Rauch, und jemanden schmäuchen oder schmäucheln würde allenfalls gerade das Gegentheil von schmeicheln beweisen, über dieß gebe es weit nähere und wahrscheinlichere Ableitungen. Allein der Widerspruch machte ihn, wie in andern Fällen, so auch hier nur hitziger; das was er aus Unbedachtsamkeit angenommen hatte, wurde nunmehr aus Eigensinn vertheidiget, und das Schmäucheln wurde und blieb das Schiboleth der ganzen Gottschebischen Schule. Indessen hatten doch schon Stieler und Steinbach die bessere und wahrscheinlichere Abstammung von schmiegen eingesehen, wozu denn ohne Zischlaut freylich auch Wachters μειλιχος und das veraltete mieg, sanft, gelinde, (S. Gemach,) obgleich auf eine entferntere Art, gehören, so wie man auch das Griech. σμƞχειν, streicheln, dahin rechnen kann. Siehe das gleich folgende Schmeichen. Schmeicheln bedeutet allem Ansehen nach sich liebkosend vor jemanden schmiegen und winden, freylich zunächst von den Hunden und Sclaven, aber hernach auch, wie adulari, von anständigern Arten der Liebkosung. Indessen hat man noch ein anderes Wort, welches hier mit in Betrachtung kommen kann, ob es gleich mit schmiegen nur eine zufällige Gleichheit des Lautes hat, und dieses ist das Wendische und Slavonische Schmeich, das Lächeln, smiecham, ich lächle, wohin auch das veraltete Oberdeutsche smielen, lächeln, Engl. to smile, gehöret, welches das Diminutivum oder Intensivum davon ist, wo[1563] nur der Hauchlaut verbissen worden. Es gibt mehrere Fälle, wo zwey Begriffe zweyer gleichlautender, ob wohl sonst verschiedener Wörter in den spätern Zeiten mit einander verbunden worden. Indessen beweisen doch die gleichbedeutenden Wörter von schmeicheln, daß in diesem vornehmlich auf das Schmiegen und Streicheln gesehen worden. Kero gebraucht für schmeicheln flehan, welches, wie schon bey Flehen bemerket worden, gleichfalls sich vor jemanden krümmen und winden bedeutet, und wovon flechten ein Intensivum ist. Die Niedersachsen sagen noch jetzt fleyen, flojen, fleystraken, eigentlich schmiegend streicheln, die Engländer to wheedle, eigentlich wedeln, und die Schweden intensive fleckra, welches bey ihnen zunächst auch von den Hunden üblich ist. Das heutige Franz. flatter ist ohne Zweifel ein Intensivum nach einer andern Form davon, so daß man dabey weder an flarc noch an flatus denken muß. Als gleichbedeutend mit schmeicheln ist im Niederdeutschen auch strieken, streicheln, üblich, und im Oberd. sagte man hähl streicheln, von hähl, glatt, gleichsam den Fuchsschwanz streicheln. Hornegk gebraucht slegen, Notker slechsprechen, (vermuthlich wie das vorige, von schlecht, eben, glatt,) der mittlere Lat. foculare, (von fackeln, auch mit dem Begriffe der Bewegung,) Hornegk losen, der Niedersachse liesken, Opitz zulieben, alle in der Bedeutung des Schmeichelns, anderer Ausdrücke zu geschweigen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1562-1564.
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