[1660] Schröpfen, verb. reg. act. welches in zwey dem Ansehen nach verschiedenen Bedeutungen üblich ist. 1) In der Landwirthschaft schröpfet man das Getreide, wenn man es, ehe es in die Kiele tritt, mit der Sichel abschneidet, damit es nicht zu stark und voreilig wachse. Den Weitzen schröpfen, in einigen Gegenden, ihn vergrasen. Es wird in dieser Bedeutung gemeiniglich schrepfen oder schräpfen geschrieben. 2) Mitzen; eine nur noch in einigen Fällen übliche Bedeutung. In den Küchen schröpfet man die Äpfel, wenn man sie in vier Theile schneidet, die Oberfläche rings herum mit einem Messer subtil ritzet oder aufhacket, und sie hernach in Wein kocht; geschröpfte Äpfel. Die Gärtner schröpfen kranke Bäume, wenn sie die äußere Rinde derselben mit einem Messer aufritzen, damit der Saft Luft bekomme. Am üblichsten ist es von einer Art des Aderlasses, da man ehedem die Haut mit einer Lanzette mehrmals aufritzte, um das zwischen Fell und Fleisch befindliche Blut abzuzapfen; welches die älteste Art des Schröpfens ist. Jetzt bedienet man sich statt der Lanzette eines eigenen Schröpfschneppers zu den Einschnitten, und zur Aussaugung des[1660] Blutes der Schröpfköpfe, da denn der Nahme des Schröpfens geblieben ist, obgleich die Onomatopöie bey dieser Erfindung verloren gegangen. Figürlich ist jemanden schröpfen ihn auf unbillige Art um sein Geld bringen. Der Wirth schröpft seine Gäste, wenn er sich die Zeche zu theuer bezahlen läßt. So auch das Schröpfen.
Anm. Dieses Zeitwort, welches den Niederdeutschen und den mit ihnen verwandten Sprachen fremd zu seyn scheinet, indem die ersten das Schröpfen der Wundärzte Köpfe setzen nennen, ist in beyden Fällen eine Nachahmung des Lautes, so wie die Niederdeutschen schrapen, schrubben u.s.f. ähnliche Laute, obgleich ganz verschiedene Handlungen, bezeichnen. Frisch leitet es daher in der letzten chirurgischen Bedeutung sehr unschicklich von dem Lat. scarificare her; ohne Zweifel weil ihm die übrigen Bedeutungen unbekannt waren. Im Oberdeutschen wird es häufig schrepfen und schräpfen geschrieben, weil man daselbst so spricht, im Hochdeutschen hingegen sticht, wenigstens in der zweyten Bedeutung, das ö merklich hervor.