Schwingen

[1755] Schwingen, verb. irreg. Imperf. ich schwang, (im gemeinen Leben ich schwung;) Mittelw. geschwungen; Imper. schwinge. Es ist in doppelter Gestalt üblich.

I. Als ein Neutrum, mit haben, wo es doch nur in reciproker Gestalt gebraucht wird; sich schwingen, sich an einer beweglichen Linie um einen Punct, folglich in einen Bogen, bewegen. So schwingt sich das Pendul einer Uhr von einer Seite zur andern. Wo man auch wohl, obgleich seltener, absolute das wahre Neutrum gebraucht: das Pendul schwingt in einer Minute sechzig Mahl, wofür man doch lieber sagt, es macht so viele Schwingungen. Sich an einem Seile schwingen, welches man auch schaukeln nennet. In weiterer Bedeutung wird es von verschiedenen Bewegungen gebraucht, welche mit einem Schwingen, d.i. mit einer bogenförmigen Bewegung an einer beweglichen Linie um einen Punct verbunden sind. Sich auf das Pferd, sich in den Sattel schwingen. Besonders sich vermittelst der Flügel schnell fortbewegen, wobey allerdings eine schwingende Bewegung Statt findet. Der Adler schwingt sich in die Luft. Figürlich, sich auf den Thron, sich zu Ehren schwingen. Aber von einer jeden schnellen Veränderung des Ortes wird es wenig mehr gebraucht. Der Leviathan schwingt sich dahin, Hiob 40, 28.

II. Als ein Activum. 1) Schwingend, mit einem Schwunge bewegen. Die Flügel schwingen, Ezech. 10, 16. Die Fahne, die Lanze schwingen; intensive schwenken.


Wie lange schwingt die rasende Megäre

Die Fackel?

Raml.


Zum Pindus schwang mich oft ein früh versuchter Flug,

Giseke.


2) Mit einer schwingenden Bewegung bearbeiten, behandeln; als ein Kunstwort, nur in einigen Fällen. Bey dem Ulphilas ist swingan schlagen, peitschen. In diesem Verstande ist es veraltet, außer daß in dem Flachsbaue noch der Flachs geschwungen wird, wenn er nach dem Brachen mit der Schärfe eines Bretes geschlagen wird, um die Hülsen davon abzusondern. S. Schwinge. Man schwinget das Getreide, den Samen u.s.f. wenn man es in einem Behältnisse mit einer schwingenden Bewegung in die Höhe wirft, um es dadurch von dem Staube zu reinigen. Bey den Glasern heißt schwingen, die aufgeschlitzten Ecken des Fensterbleyes mit Zinn zugießen, weil der Kolben dabey mit einem Schwunge herum gedrehet wird.

So auch das Schwingen, die Handlung des Schwingens, und die Schwingung, von dem Neutro, die Bewegung an einer beweglichen Linie um einen Punct; die Schwingungen eines Penduls. S. auch Schwung.

Anm. Im Nieders. swingen, im Schwed. svinga, im Angels. swyngan, im Engl. to swing, to sway, und ohne Zischlaut to wing. Es ist mit schwinden, schwanken, u. a. m. genau verwandt und druckt die schnelle und doch gewisser Maßen sanfte schwingende Bewegung genau aus. Schwenken ist ein Intensivum davon.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1755.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: