Staunen

[313] Staunen, verb. regul. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, vor Verwunderung gleichsam stumm, unbeweglich da stehen, da es denn zur Bezeichnung des höchsten Grades der Verwunderung gebraucht wird. Es ist ein altes Deutsches Wort, welches für sich allein im Hochdeutschen veraltet ist, im Oberdeutschen aber gangbar geblieben.


Du staunst; es regt sich deine Tugend,

Hall.


Nach dem Beyspiele Hallers und einiger anderer neuerer Schweizerischer Schriftsteller, ist es auch von den Hochdeutschen in der höhern Schreibart wieder eingeführet worden, da man es bisher in dieser Mundart nur in dem zusammen gesetzten Erstaunen kannte. S. dasselbe, ingleichen Anstaunen.

Anm. Auch im Englischen ist stunned, betäubt, und Stunning, das Betäuben. Frisch leitet das Deutsche von Stein her, als wenn es eigentlich vor Verwunderung versteinert werden, bedeutete. Allein man muß den Ursprung allem Ansehen nach höher suchen. Die Endsylbe -nen ist bey den Zeitwörtern in den meisten[313] Fällen ein Zeichen eines Intensivi; das Stammwort müßte also stauen gelautet haben, wovon stauenen, zusammen gezogen, staunen, geworden. Stauen, oder Oberd. stauchen drückt zwar heutiges Tages seinen eigenen Laut und Begriff aus, ist aber auch sehr nahe mit stehen verwandt, und kann auch unbeweglich da stehen und da stehen machen, bedeuten, welcher Begriff mit dem Staunen unstereitig verbunden ist. S. auch Erstaunen. Das Französ. etonner, ehedem estonner, ist genau damit verwandt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 313-314.
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