Streifen

[439] Streifen, verb. regul. welches so wie streichen eine Onomatopöie ist, nur daß das f eine schärfere Bewegung und Berührung in jenem ausdruckt, als das ch in diesem. Es ist so wie dieses in doppelter Gestalt üblich.

I. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert. 1. In der schnellen Bewegung an der Oberfläche hin berühren, so daß streifen eine schärfere Berührung voraus setzt als streichen, eine Berührung, welche oft eine Verletzung der Oberfläche zurück lässet. Die Kugel streifte an der Wand hin. Die Kugel hat mich nur gestreift, wo es auch active gebraucht werden kann. Sich ein wenig streifen, sich an den Kopf, an die Hand streifen, in der Bewegung an einen andern Körper hin fahren, und sich dadurch die Haut verletzen. S. Streifwunde. 2. Den Ort schnell verändern, von mehrern Personen, wenn es in der Absicht geschiehet, eine Gegend zu durchsuchen, wo es besonders von Soldaten, Krieg führenden Parteyen, Polizey-Bedienten u.s.f. gebraucht wird. Der Feind streifet über die Gränzen. Die leichten Truppen haben bis an die Stadt gestreift, streifen schon bis vor das Thor. Streifende Parteyen. Die streifende Rotten, d.i. Parteyen oder Haufen, 1 Sam. 14, 15. Streifen, stehlen und rauben, 3 Esr. 4, 24. Im Lande herum streifen. Durch das Gebüsch streifen, Räuber, Wilddiebe u.s.f. aufzusuchen, oder zu verjagen. Im Schwed. ströfva, welches Ihre von röfva, rauben, ableitet, ungeachtet es so wie streichen in ähnlichem Verstande, eine eigene Stammbedeutung des Zeitwortes streifen zu seyn scheinet in welcher es zu dem Nieders. streven, weite Schritte machen, S. Streben, gehöret. Der Begriff des Raubens liegt nicht in dem Worte. S. Streif.

II. Als ein Activum. 1. Mit Streifen versehen, besonders im Mittelworte, gestreift. Gestreifte Leinwand. Gestreifter Taffet. Eine gestreifte Säule. Nieders. stripen, Engl. to stripe. 2. Man streift ein Thier, wenn man demselben die Haut, oder den Balg, ohne sie am Bauche aufzuschneiden, über den Kopf ziehet. Einen Hasen, einen Fuchs, einen Marder streifen. Einen Aal streifen. Nieders. strepen und ströpen, Engl. to stripp. S. auch Abstreifen. 3. Durch eine enge Öffnung ziehen, um der[439] Oberfläche oder der auf und unter der Oberfläche befindlichen Theile zu berauben. Die Blätter von einem Zweige abstreifen, wenn man den Zweig durch die fest geschlossene Hand ziehet. Dasselbige verwüstet meinen Weinberg und streifet meinen Feigenbaum, Joel 1, 7. Gekochte Schoren durch den Mund streifen. So auch das Streifen.

Anm. Im Nieders. bald stripen, bald strepen, wo man davon in der ersten und dritten thätigen Bedeutung auch das Intensivum strippen hat, so wie im Hochdeutschen auch wohl das verkleinernde Iterativum streifeln üblich ist, kleine Streifen machen; gestreifelte Leinwand. Der Begriff der scharfen Bewegung in die Länge, besonders der in derselben geschehenen Berührung, ist der Stammbegriff.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 439-440.
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