Thor (2), der

[582] 2. Der Thor, des -en, plur. die -en, Fämin. die Thörinn. 1. * Eine des gesunden Verstandes beraubte Person, ein Wahnsinniger, welchen man in härterm Verstande auch wohl einen Narren zu nennen pflegt. Die Thoren werden nicht irren, Es. 35, 8. In dieser Bedeutung ist es jetzt im Hochdeutschen veraltet, allein, ehedem war es in derselben sehr gangbar. Im Oberdeutschen scheinet diese Bedeutung noch üblich zu seyn. Ain Tore, im Schwabenspiegel. In einem alten Vocabulario von 1482 ist daher toren, wahnsinnig seyn, rasen. 2. Im engern und gewöhnlichsten Verstande ist ein Thor derjenige, welcher entweder ohne Absicht handelt, oder Absichten ohne Mittel oder durch untaugliche Mittel zu erreichen sucht; im Gegensatze sowohl des Klugen, als des Weisen.[582] Es ist in dieser Bedeutung sowohl ein edlerer, als auch glimpflicherer Ausdruck für das härtere und niedrigere Narr. Ich müßte wohl ein Thor seyn, wenn ich das thäte. Die edelsten unter den Menschen haben den Beyfall der Thoren verachtet und entbehret, Gell. Die Wissenschaft, zu rechter Zeit ein Thor zu seyn, ist noch die einträglichste unter allen. 3. In der Deutschen Bibel hat dieses Wort noch die Bedeutung eines Gottlosen, Lasterhaften, welche aber außer derselben nicht gebräuchlich ist.

Anm. Bey den Schwäbischen Dichtern Tor, im Nieders. Door, wo auch sich doren, thöricht handeln, sich betrügen, und där, dar, albern ist, im Schwed. Dåre, im Slavon. Durak. Entweder mit dem herrschenden Begriffe des Rasens, Tobens, weil die Bedeutung eines Wahnsinnigen doch eine der ersten ist, da es denn zu unserm stören, Sturm, dem Griech. θηρος, ungestüm, turnieren u.a.m. gehören würde. In einem alten Vocab. von 1482 wird toren wirklich durch rasen erkläret. Oder auch mit dem herrschenden Begriffe der Dummheit, Bestürzung u.s.f. als ein Verwandter von bestürzen, dem Nieders. verstört, dem alten noch bey dem Jeroschin befindlichen vertoren, erstaunen, dem kaduoran, verwirrt, beschämt, in der Monseeischen Glosse, und dem Alt-Französ. daurne, bestürzt, étourdi. Da die Endlaute oft nur Bestimmungen der Stammsylbe sind, so scheinet das Schwedische Då, Wahnsinn und Unbewußtseyn, das Stammwort zu seyn, von welchem mit verschiedenen Endlauten, sowohl die Schwed. dan. rasen, dålig, närrisch, dåfna, nicht gescheut seyn, Dåre, und Däfe, ein Thor, als auch unser dämisch, das Lat. demens, und andere mehr abstammen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 582-583.
Lizenz:
Faksimiles:
582 | 583
Kategorien: