Trieb, der

[677] Der Trieb, des -es, plur. die -e, das Abstractum des Zeitwortes treiben, welches in verschiedenen Bedeutungen desselben gebraucht wird.

1. Von dem Neutro treiben, sind die Triebe, die jungen Schößlinge eines Baumes oder Gewächses, welche der Same oder das Gewächs seit kurzem getrieben hat. Die jungen Triebe vor dem Viehe verwahren.

2. Von dem Activo treiben. 1) Die Handlung des Treibens, gemeiniglich ohne Plural und nur in einigen Fällen. So ist der Trieb des Viehes, die Handlung, da man das Vieh auf die Weide treibt. Bey den Jägern ist der Trieb zuweilen das Treiben oder Treibejagen. Den Trieb blasen, mit dem Hiefhorn das Zeichen zur Fortsetzung des Treibens geben. In Abtrieb, Antrich, Betrieb, Vertrieb, kommt diese Bedeutung noch in mehrern Fällen vor. In engerer Bedeutung ist es auch das Recht zu treiben, besonders in der Land- und Hauswirthschaft, das Recht, sein Vieh, sowohl durch einen Ort auf die Weide zu treiben, der Durchtrieb, als auch, es auf des andern Grund und Boden zur Weide zu treiben, der Viehtrieb, das Triebrecht, die Huth, die Weide, die Trifft. Ohne Plural. Ingleichen der Ort, sowohl durch welchen das Vieh auf die Weide getrieben wird, wofür doch Trifft ähnlicher ist, als auch, auf welchen das Vieh zur Weide getrieben wird; die Trifft, die Weide, die Huth, im Oberd. die Trat. In dieser Bedeutung mit dem Plural. 2) Dasjenige, was getrieben wird, doch nur in einigen Fällen. So ist ein Trieb Ochsen, Schafe, so viel als zugleich getrieben werden, eine Herde. 3) Dasjenige, was ein anderes Ding treibt, oder dessen Kraft zur Thätigkeit bestimmt; Nieders. Drift. Auch nur in einigen Fällen. So wird das Treibrad oder Triebrad, d.i. dasjenige Rad, welches ein anderes treibt, zuweilen der Trieb genannt, so wie das, welches getrieben wird, das Getriebe heißt. Im moralischen Verstande ist es in Antrieb üblich. 4) Der Zustand, da man treibt, ohne Plural, und auch nur in einigen wenigen Fällen. Ein Schießgewehr hat einen guten Trieb, wenn es gut treibt, oder die Kugel weit treibt. 5) Der Zustand, da man getrieben wird, auch ohne Plural. In den Trieb kommen, welches oft auch in weiterer Bedeutung so viel ist, als in den Gang, in die Bewegung kommen. In langen Kanonen oder Läufen verliehret die Kugel einen Theil ihres Triebes, ehe sie zur Mündung kommt. Im Nieders. Dreve, Trift, auch bey einigen Hochdeutschen Trifft. Frisch führet aus dem Pictorius an: ich bin auf dem Triff dir Gutes zu thun, im Begriffe, im Triebe, in der Laune. 6) Die Bestimmung der Kraft eines lebendigen Geschöpfes, nach welcher sie wirksam zu werden sich bemühet; eine Figur der vorigen fünften, vielleicht auch der dritten Bedeutung; da es denn so viele Arten von Trieben gibt, als es Arten der Kraft oder auch der Bestimmung gibt. Im Nieders. Drift. In Ansehung der letztern verstehet man gemeiniglich eine solche Bestimmung der wirkenden Kraft, welche nicht bloß von unserm Vorsatze herrühret. Äußert sie sich ohne deutliche Erkenntniß, so heißt sie Instinct, Naturtrieb wovon die Kunsttriebe der Thiere eine Art sind. Einen Trieb zum Stuhlgange, zum Schlafen, zum Beyschlafe empfinden. Uns alle treibt ein natürlicher Trieb zu dem Glücke, diesem Ziele unserer Wünsche. Der Trieb der Schamhaftigkeit, des Gewissens. Keinen Trieb zu etwas haben. Einen Trieb bey sich empfinden. Es gibt aber auch Triebe, welche aus lebendiger Erkenntniß überwiegender Bewegungsgründe herrühren. Etwas aus eigenem Triebe oder Antriebe thun. Trieb wird in dieser ganzen Bedeutung sowohl von dem unbekannten Etwas, welches unsere wirkende Kraft zur Thätigkeit bestimmt, als auch[677] von dieser auf solche Art bestimmten Kraft selbst, gebraucht. Die Neigung ist eine Bestimmung des Wollens, und Trieb eine Bestimmung der Kraft. Beyde werden indessen häufig mit einander verwechselt, besonders, wenn der Wille oder das Wollen als eine wirkende Kraft angesehen wird; woraus zugleich erhellet, daß Trieb eine stärkere Bestimmung bedeuten muß, als Neigung. Um der Bequemlichkeit des Reims willen, wird Trieb bey den Dichtern häufig im engsten Verstande für Liebe gebraucht.


Entdecke Sylvien die Regung deiner Triebe,

Gell.


Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 677-678.
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