Um

[791] Um, ein Partikel, welche in dreyfacher Gestalt üblich ist. 1. Als ein Vorwort, welches allemahl die vierte Endung, oder den Accusativ erfordert, und in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird.

1. Die Richtung einer Bewegung oder eines Zustandes längs der ganzen äußern Fläche eines als senkrecht angenommenen Dinges, längs dessen Umfanges, zu bezeichnen; wo dieses Vorwort auch statt findet, wenn sich die Richtung auch nur längs des größten Theils dieses Umfanges erstreckt.

(1) Eigentlich. Um die Stadt gehen. Der Graben gehet ganz um das Haus. Um den Tisch treten. Sich um die[791] Stadt lagern. Eine Schürze um den Leib binden. Einen Mantel um sich nehmen. Ich bin den ganzen Tag um ihn, in seiner Gesellschaft, in seiner Nähe. Keinen Freund um sich haben. Der Weinstock wölbt sich wie eine kühle Laube um die Fenster. Dort, wo eine unverwelkliche Myrthe um unsre Häupter blühen soll, Weiße. Mit Strahlen um sein Haupt.

Den Nachdruck zu vermehren, wird das Vorwort oft mit den Nebenwörtern herum und her verbunden, wovon das erste mehr dem gemeinen Leben, das letzte aber vorzüglich der höhern Schreibart eigen ist. Um die Stadt herum gehen. Der Graben gehet ganz um das Haus herum. Um mich her sehe ich nichts als Wildniß. Sie standen alle um ihn her, um ihn herum. Deine Wahrheit ist um dich her, Ps. 89, 9. Der Engel des Herren lagert sich um die her, die ihn fürchten, Ps. 34, 8. 9. Dein Weib wird seyn, wie ein fruchtbarer Weinstock um dein Haus herum, Ps. 128, 3. Und wenn der ganze Umfang noch bestimmter ausgedruckt werden soll, so setzet man wohl noch die Nebenwörter rund und rings hinzu. Der Graben gehet rings um die Stadt herum. Rund um die Stadt herum reiten.

Besondere Arten des Ausdruckes sind. Jemanden um den Hals fallen, ihn umarmen. Er warf sich ihr mit dringender Zärtlichkeit um den Hals. Du weißt nicht, wie mir um das Herz oder ums Herz ist, du weißt nicht, was ich empfinde, wie mir zu Muthe ist. Ich rede, wie es mir ums Herze ist, wie ich denke, wie ich empfinde.

(2) Figürlich, eine ungefähre Nähe des Ortes und der Zeit zu bezeichnen. (a) Des Ortes. Er muß um diese Gegend wohnen, ungefähr in dieser Gegend. Wohin auch hier herum, in dieser Gegend, da herum, in der dortigen Gegend, gehören. (b) Der Zeit, eine ungefähre Nähe der Zeit zu bezeichnen. Es ist um sechs Uhr, ungefähr sechs Uhr. Um Mittag wollen wir kommen. Er kam erst um Mitternacht zu Hause. Um Ostern, um Pfingsten, um Michael, um Michaelis, um Johannis; in welchen beyden letztern Fällen der Genitiv nicht von dem Vorworte um, sondern von dem ausgelassenen Hauptworte Fest herrühret. Um eben dieselbe Zeit geschahe es. Wo sich der Begriff des ungefähren zuweilen verliehret, so daß um sechs Uhr, so viel als gerade, wenn es sechs ist, und um dieselbe Zeit, zu derselben Zeit bedeutet.

2. Für nach, wo es eine Figur der vorigen Bedeutung zu seyn scheinet, aber nur in einigen Fällen üblich ist. Allemahl um den andern Tag, wo auch über üblich ist. Das Fieber kommt immer um den dritten Tag. Einer um den andern, wechselsweise, einer nach dem andern. Eines um das andere. Da sang Israel dieses Lied, und sungen um einander über dem Brunnen, 4 Mos 21, 17; wo aber um einander, für einer um den andern, veraltet ist, wie Es. 14, 10: daß dieselbigen alle um einander reden.

3. Einen Gegenstand, doch in verschiedenen Einschränkungen.

(1) Eine besondere Art des Ausdruckes ist, wenn in einem ganz einfachen Satze, wo das Zeitwort seyn die Copulam ausmacht, das Subject, anstatt in der ersten Endung zu stehen, mit dem Vorworte um ausgedruckt wird. Es ist eine schöne Blume um eine Rose, für: eine Rose ist eine schöne Blume. Es ist eine wunderliche Sache um den Appetit. Es ist ein kitzliches Ding um das Lob. Es ist ein mißliches Ding um unsere Reize. Es ist doch eine verzweifelte Sache um die liebe Tugend, Weiße. Es ist eine edle Sache um den Hausfrieden. Welches doch freylich nur in solchen Fällen angehet, wo das Prädicat die gute oder böse Eigenschaft eines Dinges in Gestalt eines Hauptwortes ausdruckt.[792]

(2) Mit einigen Zeitwörtern wird dieses Vorwort auch außer dem vorigen Falle gebraucht, einen Gegenstand überhaupt auszudrucken. Besonders mit dem Zeitworte stehen. Wie stehet es um euch? wie befindet ihr euch? in was für Umständen befindet ihr euch? Wie stehet es um unsere Sache? Es stehet schlecht um euren Bruder. Wie würde es alsdann um mein Versprechen stehen? Gell. Sehen sie doch, wie es um mein künftig Glück stehet, eben ders. Oft auch mit dem Zeitworte aussehen in eben derselben Bedeutung. Es siehet sehr mißlich um ihn aus. Aber wie sieht es um die Ehre aus? Beyde Zeitwörter leiden in eben demselben Verstande auch das Vorwort mit. Wie stehet es mit euch? Es siehet mit der Sache schlecht aus.

(3) Einen Gegenstand des Verlustes; doch auch nur mit einigen Zeitwörtern. Um etwas kommen, desselben verlustig werden, ohne Bestimmung der Art und Weise. Ich bin um meine Uhr gekommen, sie sey nun verlohren oder gestohlen. Um ein Auge, um einen Arm, um sein Vermögen, um seinen guten Nahmen kommen. Man kommt um sein Geld, man weiß nicht wie, auch durch minder nothwendige Ausgaben. Ich bin darum gekommen. Um das Leben kommen, es zufälliger Weise auf eine gewaltsame Art verliehren umkommen. Jemanden um das Leben bringen, ihn seines Lebens berauben, ihn umbringen. Jemanden um sein Geld bringen, Ursache seyn, daß er dessen verlustig gehe. Ich bin darum, eine elliptische R.A. für, ich bin darum gekommen. Es ist um ihn gethan oder geschehen, er ist verlohren, unglücklich, gestorben. Es sey darum, oder, es mag darum seyn! eigentlich, es mag verlohren seyn; figürlich, es ist nichts daran gelegen. Nach dem Muster des Zeitwortes bringen stehet es auch bey andern thätigen Zeitwörtern, eine Ursache oder Veranlassung eines Verlustes zu bezeichnen. Ich bin darum betrogen worden. Sie plaudert uns um die Zeit. Sie bethet uns oft um das Mittagsessen, Gell.

(4) Einen Gegenstand des Wissens, doch nur mit dem Zeitworte wissen, für von. Wissen sie etwa auch um die Sache? wissen sie etwas mit davon? Ich weiß nichts darum. Er weiß um alle meine Geheimnisse. Khein Wort er vmb die bürger west, Theuerd. Kap. 94.

(5) Einen Gegenstand einer Gemüthsbewegung; doch nur mit einigen Zeitwörtern, besonders solchen, welche eine unangenehme Empfindung wegen des erlittenen oder zu besorgenden Verlustes eines Dinges bezeichnen; wodurch es sich von über in der ähnlichen Bedeutung unterscheidet. Sich um etwas betrüben, bekümmern, kränken, härmen, grämen. Um etwas weinen, böse werden, klagen, trauern, zürnen u.s.f.


Der Schmerz um ihn ist für mein Herz

Selbst noch ein angenehmer Schmerz,

Gell.


Fließet ihr Thränen um den redlichsten Freund. Kümmere dich nicht um die verwelkten Blumen. Jemanden um etwas beneiden. Um dieß Vergnügen muß mich ein Prinz beneiden, Gell. Es ist mir nicht leid darum. Sehr um etwas thun, im gemeinen Leben, dessen Verlust sehr betrauern.

(6) Einen Gegenstand der Bemühung, des Bestrebens, der Bewerbung; auch nur mit einigen Zeitwörtern. Um etwas spielen, spielen, wer den Besitz einer Sache erlange. Sich um etwas bemühen, bewerben. Jemanden um etwas bitten, flehen, anflehen. Um die Ehre fechten, kämpfen. Um etwas hadern, sich um etwas zanken, streiten, um den Besitz einer Sache. Um etwas losen, würfeln. Sich um die Oberstelle zanken. Der Soldat tummelt sich um die Ehre. Ich will darum schreiben. Sich Mühe um etwas geben. Ihr Herz, um das du flehst, Gell.

[793] Von kaltem Schrecken blaß bath jeder um sein Leben,

Weiße.


Durch Drohn und Schmeicheleyn warb er um meine Gunst,

Weiße.


Um ein Amt, um eine Gnade, um eine Person (zur Gattinn) anhalten. Er kommt um Brot. Es ist ihm nur darum zu thun. Es ist ihm nur ums Geld, um die Ehre zu thun. Jemanden um etwas fragen, es von ihm zu erfahren. Jemanden um Rath fragen. Um Rache rufen, schreyen. Keine Thräne seiner Unterthanen ruft wider ihn um Rache. Er hat mich schon lange darum geplagt. Ich werde sehr um eine Antwort geplagt. Daß es sich hier nicht in allen Fällen gebrauchen lasse, ist schon erinnert worden. Im Oberdeutschen sagt man, um jemanden schicken, um den Arzt, um den Beichtvater schicken; wofür im Hochdeutschen nach üblich ist. Ingleichen, ich will darum gehen, darnach.

(7) Hierher gehören auch diejenigen Fälle, wo um ehedem den Gegenstand eines Kaufes oder Tausches begleitete, anstatt für. Ehedem sagte man: hundert Thaler um das Haus geben. Jetzt ist es in dieser Bedeutung, im Ganzen genommen, veraltet, nur das relative darum wird noch zuweilen in diesem Verstande gebraucht. Ich gäbe viel darum, wenn ich es haben könnte, dafür. Er nähme nicht viel Geld darum, dafür.

(8) Desto häufiger wird es indessen noch gebraucht, den Preis einer Erwerbung oder den Lohn einer Bemühung auszudrucken, vermuthlich auch, so fern derselbe im Grunde der Gegenstand der Bestrebung ist. (a) Eigentlich, den Lohn einer Bemühung. Um Lohn arbeiten, dienen. Arbeiter um Lohn dingen. Ums Tagelohn arbeiten. Jetzt hüthe ich um schlechten Lohn hier diese zwey Ziegen, Geßn. Ums Brot arbeiten. Er ward mit den Arbeitern eins um einen Groschen, Matth. 20, 2. Ums Geld arbeiten. Was thut man nicht ums liebe Geld. Um viel Geld wollte ich das nicht thun. Um alles in der Welt begienge er diese Niederträchtigkeit nicht. Um nichts und wieder nichts, im gemeinen Leben, für gar nichts. Hierher scheinet auch die R.A. zu gehören, um die Wette, so fern Wette hier das aufgesetzte Geld, den Preis des Wetteifers bezeichnet. Um die Wette arbeiten, sehr eifrig, andere in fleissigem Arbeiten zu übertreffen suchen.


In Cuba war ein Papagey,

Den neckt ein jeder um die Wette,

Haged.


(b) Das Bezahlungsmittel und den Preis, anstatt für. Um Geld, um bar Geld kaufen. Noch häufiger von dem Preise. Ich habe es um zehn Thaler gekauft. Um wie viel hast du das Gut gekauft? Im Hochdeutschen wird es in dieser Bedeutung wenig mehr gebraucht, weil für in derselben am üblichsten ist. In den Kanzelleyen pflegt man beyde Vorwörter um des Nachdrucks willen zu verbinden: Cajus kauft das Haus um und für tausend Thaler. Dahin gehöret auch der Gebrauch mit dem Zeitworte strafen, doch nur, wenn von einer bestimmten Geldstrafe die Rede ist. Jemanden um zehn Thaler strafen, ihm eine Strafe von zehn Thalern auflegen.

(9) Endlich gehören noch verschiedene einzelne Arten des Ausdrucks hierher, wo um Gegenstände anderer Art bezeichnet. Ich lobe dich darum, für deswegen; ob man gleich nicht mehr sagt: ich lobe dich um deinen Fleiß, um deine Tugend, sondern wegen. Sich um jemanden verdient machen. Habe ich das um dich verdient? Verdiene ich das um dich, meine Julie? Weiße. Sich um etwas bekümmern, darnach fragen, Theil daran nehmen, welches doch eigentlich eine Figur des Zeitwortes bekümmern in der vorigen fünften Bedeutung ist.[794]

Alle jetzt angeführte Fälle, wo um einen Gegenstand begleitet, sind Überbleibsel einer ältern allgemeinen Bedeutung, wo um fast ein jedes Object bezeichnete. Das Schwedische om hat noch jetzt diese allgemeinere Bedeutung, indem es unter andern auch de, von, bedeutet; von jemanden reden, om. Das Griech. mit um verwandte άμφι wurde auf ähnliche Art gebraucht.

4. Einen Bewegungsgrund, eine Ursache. Sie preiseten Gott um alles, das sie gehöret und gesehen hatten, Luc. 2, 20; für, wegen. Der Herr wird strafen alle Gottlosen um alle Werke ihres gottlosen Wandels, Br. Jud. V. 15. Im Ganzen ist auch diese Bedeutung veraltet, nur daß die relativen warum und darum noch im ganzen Umfange derselben üblich sind.

Auch gebraucht man es in diesem Verstande noch in Verbindung mit dem Hauptworte Willen, einen Bewegungsgrund, eine Ursache, zu bezeichnen, da denn die zweyte Endung der Sache von diesem Hauptworte, nicht aber von dem Vorworte, herrühret. Ich thue es um zweyer Ursachen Willen, um eben der Ursache Willen. Um Gottes Willen, um unsrer Willen, um des Himmels Willen. Es geschiehet um Lebens und Sterbens Willen. Um der bösen Nachrede Willen. Um sein selbst Willen. Um deinet, meinet Willen. Siehe von dieser R.A. besonders mit Fürwörtern Dein I. Ehedem gebrauchte man dafür von – Willen, durch – Willen: von mehrerer Sicherheit Willen.

Das Hauptwort Willen wird zuweilen weggelassen. Ich will das Volk heimsuchen um ihrer Missethat, Jer. 25, 12. Daß wir um dieser heutigen Empörung verklagt mochten werden, Apost. 19, 40. Wo die zweyte Endung gleichfalls von dem ausgelassenen Hauptworte herrühret, welche Auslassung doch im Hochdeutschen einige Härte hat. Noch mehr aber, wenn statt der zweyten Endung die vierte gebraucht wird: ich beschwöre sie um unsre Liebe, machen sie meine Ahndungen eitel. Sie will um Himmel und um Hölle nicht weiter gehn, Michael der Dichter. Am härtesten und ungewöhnlichsten ist die Weglassung des Wortes um.


Auch wo das Römer Volk der schönen Bäder Willen

In voller Üppigkeit die lange Zeit vollbracht,

Opitz.


Die ähnlichen Wörter wegen und halben werden nicht mit dem um verbunden, und wenn solches ja von einigen geschiehet, so ist es ein unangenehmer Fehler. Um meiner Jahre wegen könnte ich in der Kleidung noch sehr jung thun, Gell.

Um daß für weil ist im Hochdeutschen veraltet, und wird nur noch in einigen gemeinen Mundarten gebraucht.


Was weint ihr Mütter viel, um daß euch durch den Streit

Die Söhne sind erlegt in ihrer jungen Zeit,

Opitz.


Ich muß mit Danke Gott erheben,

Um daß er seine Gütigkeit

Euch mitgetheilt zu dieser Zeit,

Opitz.


Wenn um mit dem Infinitiv und dem Wörtchen zu gebraucht wird, eine Absicht zu bezeichnen, so ist es eigentlich kein Vorwort, sondern ein Bindewort, S. es im folgenden.

5. Einen Unterschied der Zeit, Zahl, Größe und der Intension zu bezeichnen. Das Fenster ist um zwey Fuß höher, als die Thür. Cajus ist um drey Zoll kleiner als Titius. Das ist um ein gut Theil besser als jenes. Ich bin um zehn Jahr älter als du. Etwas um eine Handbreit enger machen. Dieses Haus ist um hundert Thaler theurer als jenes. Um die Hälfte dicker. Sich um zwanzig Thaler verrechnet haben. In den meisten dieser Fälle kann um auch verschwiegen werden. Er ist einen Kopf größer, für um einen Kopf. Es ist hundert Thaler theurer. Nur sagt man nicht, sich zwanzig Thaler verrechnet haben, wo um nicht wegbleiben kann. Hierher scheinen[795] auch folgende Arten des Ausdrucks zu gehören. Um ein Haar. Es ist nicht um ein Haar größer, im geringsten nicht. Ingleichen, wenn es so viel als bey nahe bedeutet. Um ein Haar wäre ich gefallen, es fehlte kein Haar breit, so u.s.f. Es ist um zwey Tage zu thun, so ist der Schmerz vorüber, es kommt nur auf zwey Tage an. Es ist um hundert Thaler zu thun, o hast du es. Wo zu thun auch wohl verschwiegen wird.

Es ist um wenig Schritte, so hohl ich dir dieß Band, Gell. Hierher gehören auch die adverbischen R.A. da um so viel dem Comparativis vorgesetzt wird. Er wird es nicht gestehen, gestehet er es aber, so ist es um so viel besser für ihn. Du wirst um so viel glücklicher seyn, je mehr du deine Bedürfnisse einschränken wirst; oder, jemehr du deine Bedürfnisse einschränken wirst, um so viel glücklicher wirst du seyn. Es ist mir um so viel lieber, wenn er nicht kommt. In welchen Fällen um so viel für desto steht. Nur vermeide man den Übellaut, dieses um so viel statt des kürzern und üblichern je und desto zu gebrauchen. Um so viel größere Ehre der Sohn hat dann der Diener, um so viel größere Ehre hat Christus dann Moses; besser je – desto.

Auch ist es fehlerhaft, wenigstens ein in manchen Fällen sehr unangenehmer Pleonasmus, dieses um dem desto vorzusetzen. Ich melde dieses um desto lieber, da u.s.f. Gottsch. Dieses ist mir um desto gewisser, da u.s.f. ebend. Das ist schön, daß er nicht schwört, um desto mehr kannst du auf sein Wort bauen, Gell. Ich habe es nicht gewußt, daß sie zugegen wären, um desto aufrichtiger ist mein Bekenntniß, ebend. Wo um desto nichts mehr sagt, als desto allein.

II. Ein Bindewort, da es denn dem Infinitiv mit dem Wörtchen zu zugesellet wird, eine Absicht zu bezeichnen. In keiner unserer Sprachlehren wird um mit unter den Bindewörtern aufgeführet, vermuthlich, weil man sich nicht überreden konnte, daß ein Vorwort zugleich ein Bindewort seyn könnte. Allein fast alle unsere Partikeln werden auf mehrere Art gebraucht, und um ist in dieser Verbindung so gut ein verursachendes Bindewort, als daß, damit, weil u.s.f. Es ist hier eine Fortsetzung der vorigen vierten Bedeutung. Ich habe nicht in die Lotterie gelegt, um reich zu werden, sondern um andern Gutes zu thun, Gell.


Und erblicket einen Schützen,

Der sein Rohr auf ihn gericht,

Um ihn auf den Pelz zu blitzen,

Lichtw.


Da der Infinitiv mit zu diese Absicht schon allein ausdruckt, so stehet das um hier eigentlich überflüssig, und dieser Überfluß wird oft ein Übellaut, besonders in solchen Fällen, wo die Verbindung der Handlung und ihrer Absicht ohne hin schon deutlich ist. Sie thut sich alle Gewalt an, um bewundert zu werden, Gell. Doch kann die Ründe und Vollständigkeit der Rede oft das um nothwendig machen. Ich lebe nicht um zu essen, sondern ich esse um zu leben, wo der Ründe etwas fehlen würde, wenn man das um als überflüssig verschweigen wollte.

Am häufigsten und schicklichsten stehet das um, wenn die Absicht den Satz anfängt, da es denn nicht leicht verschwiegen werden kann, wenn die Rede nicht mangelhaft werden soll. Um die neue Welt zu erobern, mußte man die Einwohner ausrotten, und um ihre Stelle wieder zu ersetzen, mußte man Negern kaufen. Um diese Stärke zu zeigen, muß unsere Geduld durch manche Fälle geübt seyn, Dusch. Um dich zu beruhigen, habe ich diesen Entschluß gefaßt. Um nicht zu weitläufig zu werden, muß ich abbrechen.

Ein sehr unangenehmer Fehler ist es, wenn um in dieser Verbindung gemißbraucht wird, noch andere Bedeutungen, als die Absicht einer Handlung, zu bezeichnen, wozu sich viele durch das Französische [796] pour verleiten lassen. So vorsichtig ein anderer Richter ist, um zu verbergen, daß er sich habe bestechen lassen, Raben. Wenn ich innere Ruhe genug hätte, um mein Herz den Vergnügungen des Herzens zu öffnen, Zimmerm.


Doch große Herzen sind bestimmt, um hier zu leiden,

Cron.


Wo um am unrechten Orte stehet, weil hier kein eigentliches Verhältniß einer Handlung gegen ihre Absicht Statt findet. Fehler dieser Art kommen überall sehr häufig vor.

Noch widerwärtiger sind die Oberdeutschen Arten des Gebrauchs, wo um für als daß gesetzet wird. Die Sache redet zu klar, um von jemand mißkennet zu werden. Es ist schon mit solchen triftigen Gründen bestärket worden, um es einer fernern Ausführung nicht zu bedürfen, daß es – nicht bedarf.


Er ist zu tugendhaft, um nicht ein Christ zu seyn,

Cron.


III. Ein Nebenwort, wo es wieder in verschiedenen Fällen vorkommt, welche insgesammt Figuren der ersten eigentlichen Bedeutung des Vorwortes sind.

1. Im gemeinen Leben wird um als ein Nebenwort häufig dem geradesten und kürzesten Wege entgegen gesetzt. Der Weg ist um, führet um, wenn er uns nicht in der geradesten und kürzesten Richtung nach dem verlangten Orte führet. Von Leipzig nach Berlin über Dresden zu reisen, ist sehr oder viel um. Daher die Zusammensetzungen umgehen, umfahren u.s.f. welche vielleicht richtiger getheilet werden, indem um hier das Neben- und nicht das Vorwort ist.

2. Zu Ende, vorbey, das Ende einer bestimmten Zeitdauer zu bezeichnen; am häufigsten auch nur im gemeinen Leben. Die Stunde, die Woche, das Jahr ist um. Wenn meine Zeit um ist. Wenn ich sie eher, als das Jahr um ist, fortjage, so muß ich ihr das ganze Lohn bezahlen, Gell.

3. Um und um, für auf allen Seiten. Um und um mit Wasser umflossen seyn. Die Stadt ist um und um mit Bergen umgeben. Deine Hände haben mich gearbeitet, und gemacht alles, was ich um und um bin, Hiob 10, 8. Wenn es um und um kommt, wenn sich die Sache völlig entwickelt, wenn man sie genau, auf allen Seiten, betrachtet.


Weiser Damon, dessen Haupt

Lorber um und um belaubt,

Kleist.


Das im gemeinen Leben noch hin und wieder übliche um und an, ist in der anständigen Schreibart veraltet, ob gleich Opitz es noch häufig als eine Art einer intensiven Partikel gebraucht.


Der Tod begehrt nichts um und an;

gar nichts, im geringsten nichts.

Er wird die Völker um und an,

Wie recht und billig ist, entscheiden,

Opitz Ps. 96, 7;


in allen Stücken, vollkommen.

Ach so ist es um und an,

Um die ganze Welt gethan,

Gryph.


Anm. 1. Dieses Vorwort kann nie anders als mit der vierten Endung gebraucht werden, daher es ein Fehler ist, wenn man es zuweilen mit der dritten findet. Die um Tyro und Sidon wohnen, Marc. 3, 8. Die wir um Paulo waren, Apost. 21, 8. Wie dünkt euch um Christo, Matth. 22, 42; in welcher letztern Stelle um für von zugleich veraltet ist.

Anm. 2. Dieses Wörtchen wird mit allerley Wörtern zusammen gesetzt, und bekommt alsdann auch mancherley Bedeutungen, welche sich doch insgesammt auf eine der vorigen zurück führen lassen. Diese Wörter sind, a) Partikeln, wo es theils voran, theils hinten, steht: z.B. umher, umsonst, ringsum, herum, rechtsum, linksum, kurzum; wohin auch die relativen darum, und warum gehören. In wiederum hat es die außer dem veraltete[797] Bedeutung einer Wiederhohlung, welche noch in dem Schwed. om angetroffen wird; lesa om, von neuem lesen. b) Nennwörter. Umkreis, Umstand, Umweg, Umriß, Umgang, umgänglich u.s.f. c) Zeitwörter, da denn die mit dieser Partikel verbundenen Zeitwörter, so wie die, welche mit durch, über und unter zusammen gesetzt sind, den Ton bald auf dem Zeitworte, bald auf dem Nennworte, haben.

Auf dem Vorworte liegt der Ton, wenn das Hauptwort, welches von dem um regieret werden sollte, nicht ausdrücklich da stehet; welche Zeitwörter oft, obgleich nicht allemahl, Neutra sind. In diesem Falle ist das Vorwort trennbar, d.i. es wird in der Conjugation hinter dem Zeitworte gesetzet. Es gehet in dem Hause um. Der Weg gehet weit um. Drehe es um. Ich kehre um. Diese Zeitwörter haben das gewöhnliche Augmentum ge, und im Infinitiv tritt das zu zwischen dem Vor- und Zeitworte: umgedrehet, umzukehren. Man muß hier den Accusativ, der von dem Zeitworte regieret wird, nicht mit dem verwechseln, welchen das Vorwort haben sollte, welcher aber verschwiegen wird. In ein Ding umkehren, umdrehen, umwenden, umstoßen, u.s.f. wird der Accusativ von den Zeitwörtern kehren, drehen, wenden regieret; dagegen der zu um gehörige Accusativ, um sich selbst, um seine Seite u.s.f. verschwiegen wird.

Wenn hingegen das zu um gehörige Hauptwort ausdrücklich da stehet, so ruhet der Ton auf dem Zeitworte, und alsdann ist das Vorwort untrennbar, daß heißt, es bleibt durch die ganze Conjugation vor seinem Zeitworte stehen. Wir umfahren die Welt. Die ganze Gesellschaft umringte ihn. Das Augment bleibt in diesem Falle weg, und im Infinitiv tritt das zu vor die ganze Zusammensetzung. Mit Blumen umkränzt, nicht umgekränzt. Mit Himmelsglanze zu umstrahlen. Einige Ausnahmen gibt es auch hier, welche an den gehörigen Orten vorkommen werden.

Die Bedeutungen der mit um zusammen gesetzten Zeitwörter lassen sich insgesammt zu einer der schon bey dem Vor- und Nebenworte angeführten Bedeutungen rechnen; wohin denn auch die gehöret, wo es eine Wiederhohlung einer schon gethanen Handlung, aber auf andere Art, bezeichnet, welche Bedeutung, außer der Zusammensetzung, veraltet ist. Die Zeitwörter, in welchem dieselbe Statt findet, haben den Ton insgesammt auf dem Vorworte, weil der ganze Ausdruck figürlich und elliptisch ist, und der zu dem Vorworte gehörige Accusativ eigentlich verschwiegen wird; úmarbeiten, etwas úmschreiben, úmschmelzen u.s.f.

Die höhere Schreibart der Neuern hat viele neue Zeitwörter dieser Art, wo der Ton auf dem Zeitworte liegt, eingeführt, und es können deren, wo es nöthig ist, noch mehrere gewagt werden, wenn dabey nur der Wohllaut und die Analogie nicht aus den Augen gesetzet werden. Umglänzen, umstrahlen, umkränzen u.s.f. sind untadelhaft; aber umlorbern ist hart, weil wir kein Zeitwort lorbern haben.

Anm. 3. Diese alte Partikel lautet schon in dem Isidor, bey dem Kero und andern mit einer unnöthigen Endsylbe umbi, umbe, welches sich nebst dem Blaselaute, als dem Begleiter des m, auch in dem Griech. άμφι, und zum Theil auch in dem Lat. amb, welches doch nur in einigen Zusammensetzungen vorkommt, befindet. Im Angelsächsischen lautet es umb, ymb, im Schwed. om, im Isländ. um, im Wallisischen am, im Dänischen omme, und selbst im Finnischen umbi. Der Begriff des Umschweifes, im Gegensatze der kürzesten, geradesten Linie, ist ohne Zweifel der Stammbegriff, welcher auch noch in allen übrigen Bedeutungen zum Grunde liegt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 791-798.
Lizenz:
Faksimiles:
791 | 792 | 793 | 794 | 795 | 796 | 797 | 798
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte

Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte

Der historische Roman aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges erzählt die Geschichte des protestantischen Pastors Jürg Jenatsch, der sich gegen die Spanier erhebt und nach dem Mord an seiner Frau von Hass und Rache getrieben Oberst des Heeres wird.

188 Seiten, 6.40 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon