Vergeßlich

[1045] Vergêßlich, -er, -ste, adj. et adv. welches gleichfalls sowohl im passiven als acvtiven Verstande gebraucht wird, so wie das Mittelwort vergessen, von welchem es zunächst abstammet. 1. Im passiven Verstande, was vergessen werden kann, sich vergessen lässet, im Gegensatze des unvergeßlich; wo es doch nur zuweilen als ein Nebenwort gebraucht wird. Deine Wohlthaten sollten mir vergeßlich seyn? Noch häufiger, 2. Im activen Verstande, der leicht etwas vergißt, im gemeinen Leben auch vergessen. Ein vergeßlicher Hörer des Wortes, Jac. 1, 25. Sehr vergeßlich seyn. Ein vergeßlicher Mensch.

Anm. Im Nieders. vergeten. Frisch und andere Sprachlehrer tadeln diese zweyte Bedeutung so wie in den activen Gebrauch des Mittelwortes vergessen, und erklären ihn ohne Umschweif für einen Mißbrauch. Allein, sie haben nicht erwogen, daß es im Deutschen, so wie in andern Sprachen, eine große Menge so genannter passiver Mittelwörter gibt, welche im thätigen Verstande gebraucht werden, z.B. bedient, ein Bedienter, beweglich, betrieglich, nachdrücklich, und viele mit ver, verliebt, verdrossen,[1045] verdient, verderblich, verbult u.s.f. welche noch niemand getadelt hat.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1045-1046.
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