Verletzen

[1082] Verlêtzen, verb. reg. act. ein körperliches Ding so beschädigen, daß dadurch dessen Vollständigkeit oder ganze Beschaffenheit leidet, der gehörige Zusammenhang des Ganzen oder eines Theiles unterbrochen wird. 1. Eigentlich. Einen Baum verletzen, durch[1082] Abhauung eines Zweiges, Beschädigung der Rinde, der Wurzel u.s.f. Ein Werk der Kunst verletzen. Eine verletzte Bildsäule. Ach soll ein Stahl dieß schöne Haar verletzen! Am häufigsten von lebendigen Geschöpfen. Jemanden am Leibe, sich an der Hand, an dem Fuße verletzen, es geschehe durch Verrenkung oder Verwundung, als ein allgemeiner Ausdruck, der doch am häufigsten von geringern Beschädigungen gebraucht wird, dagegen verwunden eine besondere Art der Verletzung ausdruckt. Gott verletzet und verbindet, Hiob. 5, 18. Ein schwangeres Weib verletzen, 2 Mos. 21, 22. Wer seinen Nächsten verletzt, dem soll man thun, wie er gethan hat, Schade um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn, wie er hat einen Menschen verletzt, 3. Mos. 24, 19f. Sich etwas im Leibe verletzen. 2. Figürlich. Jemandes Ehre, guten Nahmen verletzen, oder ihn an seiner Ehre, an seinem guten Nahmen verletzen. Jemandes Recht, oder ihn an seinem Rechte verletzen. Die eheliche Treue verletzen.

Daher die Verletzung in beyden Fällen, sowohl von der Handlung des Verletzens, ohne Plural, als auch von der dadurch zugefügten Beschädigung, mit demselben.

Anm. Bey dem Ottfried gilezzen, bey seinen Nachfolgern nur letzen, welches unter andern noch Es. 11, 9 vorkommt: man wird nicht letzen noch verderben auf meinem heiligen Berge. Die Endsylbe zeu zeigt, daß dieses Wort ein Intensivum ist, dessen einfacheres Stammwort noch in dem Lat. laedere herrschet, von welchem auch Lacinia abstammet. Mit einem andern, aber nahe verwandten Endlaute war für letzen, auch lesen, lesten, und in der intensiven Form lästern üblich; daher denn das bey den Schwäbischen Dichtern befindliche verlesten, und das Schwed. lästa, verletzen, ingleichen unser Laster in der veralteten eigentlichen Bedeutung, und verlästern, welche beyde letztern eigentlich einen hohen Grade der Verletzung bezeichnen, wodurch ein Ding ungestaltet wird.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1082-1083.
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