Verwandeln

[1170] Verwandeln, verb. regul. act. welches eigentlich mit verändern gleich bedeutend ist; aber durch den Gebrauch noch sehr davon unterschieden wird. Es bedeutet,

1. Im weitesten Verstande, und so wie verändern, ein Ding anders bestimmen, es geschehe, auf welche Art es wolle, auch in Ansehung der äußern Gestalt. Sie werden verwandelt werden, wie ein Kleid, Ps. 102, 27. In dieser weitern Bedeutung ist es in der anständigern Sprechart veraltet; nur im gemeinen Leben sagt man noch es verwandle sich jemand im Gesichte, wenn er seine Farbe verändert, plötzlich roth wird.

2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist verwandeln, die Natur und Verbindung eines Dinges ändern, ein Ding anderer Art daraus machen, wo denn dieser Begriff wiederum sehr vielerley Einschränkungen leidet. Und da es dem König von Egypten ward angesagt, daß das Volk war geflohen, ward sein Herz verwandelt, 2 Mos. 14, 5. Du bist mir verwandelt in einen Grausamen, Hiob 30, 21. Die Klage in einen Reihen, Gottes Wahrheit in Lügen, Gottes Gesetz in gottlose Ehre, den natürlichen Brauch in den unnatürlichen verwandeln, lauter biblische Ausdrücke, wo es oft nur bedeutet,[1170] ein Ding anstatt des andern darstellen. Ich hoffe ihren kleinen Eigensinn leicht in eine beständige Liebe zu verwandeln, Gell. Stumme Bewegungen und einfaches Geschrey verwandelt der Dichter in menschlichen Ausdruck. Durch die Verdauung werden Speise und Trank in Fleisch und Blut verwandelt. Mein Verdruß verwandelte sich in eine tiefe Traurigkeit. Der Wein verwandelt sich in Essig. Wir müssen den flüchtigen Anblick der Schöpfung in einen bedachtsamen verwandeln, Gell.

3. Im engsten Verstande ist verwandeln das Wesen eines Dinges verändern, ein Ding in ein Ding anderes Wesens umschaffen, wozu natürliche Kraft nicht hinlänglich ist. Moses verwandelte das Wasser in Blut, den Stab Aarons in eine Schlange. Christus verwandelte Wasser in Wein. Daphne ward in einen Lorbeerbaum verwandelt. Jupiter verwandelte sich in einen Stier.

So auch die Verwandlung. Die Verwandlungen Jupiters.

Anm. Schon bey dem Notker firwandeln, der aber auch das einfache wandeln dafür gebraucht, welches noch bey dem Opitz, Lohenstein und andern in dieser Bedeutung vorkommt.


Daß die von uns bisher so angenehme Liebe

Den Nectar auf einmahl in Wermuth wandeln kann,

Günther;


d.i. eigentlich nur ändern. Allein, bey dem heutigen Gebrauche des Zeitwortes verwandeln ist die Partikel ver keines Weges überflüßig indem sie dem Worte den Begriff der völligen gänzlichen Veränderung mittheilet, welchen es ohne sie nicht hat.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1170-1171.
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