Vetter, der

[1192] Der Vêtter, des -s, (Oberd. -n,) plur. die -n, ein männlicher Verwandtschaftsnahme, mit welchem man sowohl den Vater- und Mutterbruder, als auch Geschwisterkinder männlichen Geschlechtes zu bezeichnen pfleget, so daß dieses Wort mit dem weiblichen Verwandtschaftsnahmen Muhme überein kommt. Moses rief Misael und Elzaphan, den Söhnen Usiel, Aarons Vettern, 3 Mos. 10, 4. Wenn jemand bey seines Vaters Bruders Weib schläft, der hat seines Vettern Scham geblößet, Kap. 20, 20. Es mag ihn jemand unter seinen Brüdern lösen, oder sein Vetter oder Vetters Sohn, Kap. 25, 49. In weiterer und vermuthlich eigentlicher Bedeutung, werden alle nahe Verwandte männlichen Geschlechtes, für welche man keine besondern Nahmen hat, auch in entferntern Graden Vettern genannt, welche Bedeutung nicht allein im gemeinen Leben sehr häufig ist, sondern auch in der deutschen Bibel vorkommt. Ich will ein Lied meines Vettern singen, Es. 5, 1; meines Verwandten. Ein weitläufiger Vetter, ein naher Vetter. Muhme wird auf ähnliche Art von allen weiblichen Verwandten gebraucht, solche Grade der Verwandtschaft ausgenommen, welche wegen ihrer Nähe eigene Nahmen haben. Sprichw. Wer sich zwischen Vettern und Freunde steckt, der klemmt sich.

Anm. In den Monseeischen Glossen kommt dieses Wort zuerst vor, wo patruus und fratruelis durch Fetiro, patruelis aber durch Fetirinsun, des Vetters Sohn, übersetzt wird. Frisch, Gottsched und viele andere leiten es von Vater ab, und der letztere wollte es um deßwillen gar Vätter geschrieben wissen. Keiner aber hat diese Ableitung nur im geringsten zu beweisen gesucht. Dessen ungeachtet bestätiget Herr Heynatz sie im 5ten Theile seiner Briefe sehr entscheidend. »Beyläufig, heißt es daselbst, wundre ich mich, daß Herr Hemmer Wachters Herleitung des Wortes Vetter von wetten, welches so viel als verbinden geheißen, wahrscheinlicher findet, als die gewöhnliche von Vater. Diese ist unstreitig richtig, wenn man nur die Sache recht vorstellt. Von Vater kam Fetiro, welches des Vaters Bruder bedeutete; dessen Sohn hieß denn wieder Fetirinsun, oder auch wohl aus Abkürzung oder aus Verwirrung ebenfalls Fetiro. Hernach hat man es weiter ausgedehnt, und nannte jeden männlichen Verwandten so. Die Beweise suche man in Schilters Thesauro. Auf gleiche Art ist Muhme aus Mutter entstanden« u.s.f. Hier ist fast kein Satz, dessen Unrichtigkeit sich nicht beweisen ließe; aber um des Raumes zu schonen, sey es an Einer Anmerkung genug. Jedes von einem andern abstammende Wort muß das Zeichen seiner Abstammung aufzuweisen haben. So stammen von Pater im Lat. Patruus und Patruelis vermittelst der Ableitungssylben us und elis her. Aber, wo findet sich das in Vetter? Vater ist vermittelst der Sylbe -er, welche hier eine Person männlichen Geschlechtes bedeutet, von Vat, Far abgeleitet; so auch Vetter, vermittelst eben dieser Ableitungssylbe von Vett, Fett u.s.f. Herr H. hat doch nicht etwa das Oberdeutsche müßige o am[1192] Ende für eine Ableitungssylbe gehalten? Oder hat er er etwa geglaubt, daß diese Veränderung des Vocals a in e zur Ableitung genug sey? Bey einer so großen Veränderung der Bedeutung, als vom Vater zum Vetter ist, ist diese Ableitung ohne Beyspiel, oder vielmehr, es findet auf diese Art gar keine eigentliche Ableitung Statt, wohl aber eine Abänderung der Bedeutung, wie Vater und Väter, fallen und fällen. In Schilters Thesauro findet sich keine Spur eines Beweises, so bestimmt sich auch Herr H. darauf beruft; bloß die schon oben angeführten Wörter aus den Monseeischen Glossen finden sich daselbst ohne alle Erläuterung und Anmerkung. Es ist also nicht bloß unwahrscheinlich, sondern erweislich unrichtig, daß Vetter von Vater abstammet, und Wachters Ableitung von einem veralteten Zeitworte, vetten, wetten, welches verbinden bedeutet hat, behält immer noch den Vorzug. Bey dem Ulphilas ist withan, verbinden, und vetten ist in der Bedeutung des Bindens, Einspannens u.s.f. noch in manchen gemeinen Sprecharten üblich, wo auch einvetten, in das Joch spannen, ausvetten, ausspannen, zusammen vetten, verbinden u.s.f. ist. Im Engl. ist wed, heirathen, und wedded, verheirathet. S. Wetten und 2 Fette. Vermittelst der Endsylbe er bedeutete davon Vetter, einen Verbundenen oder Verwandten, in welcher weitern Bedeutung, welche allem Ansehen nach die ursprüngliche ist, es im gemeinen Leben noch jetzt nicht selten ist.

Die Form in der zweyten Endung des Vettern für des Vetters stammet aus dem Oberdeutschen her, wo man auch des Vatern, des Brudern u.s.f. sagt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1192-1193.
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