Vortheil, der

[1306] Der Vórtheil, des -es, plur. die -e. 1. * Eigentlich, ein Theil, welchen jemand vor andern voraus hat oder bekommt; in welcher Bedeutung es ehedem ohne Zweifel von einem Erbtheile gebraucht wurde, welches jemanden zum voraus vermacht wurde. Im Schwed. ist Fördelsäker, noch jetzt ein Acker, welchen sich jemand, wenn er seine Grundstücke unter seine Kinder vertheilet, zurück behält. Diese Ableitung wird auch durch das gleich bedeutende Franz. Avantage und im mittlern Lat. Adevantagia, Advantagium, bestätiget, welches einen solchen Erbtheil bedeutete, welcher jemanden zum voraus vermacht wurde. In den For. Aragon. ist ein Titel: De avantagiis, quas uxore praemortua, vel ipsa superstite, vir aut eius successores habere debent; ingleichen, de adevantagiis, quas vir et eius haeredes habere debent ante partem. Doch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet, wo es,

2. nur noch in verschiedenen figürlichen Bedeutungen gebraucht wird.

(1) Als ein Concretum. a. Im Handel und Wandel ist es der Überschuß, der nach Abzug der Kosten von einer Waare oder Arbeit übrig bleibt; der Gewinn, in manchen Fällen auch der Nutzen. Es ist hier eben so unbestimmt, als Gewinn, und kann sowohl von einem erlaubten und billigen, als unerlaubten und übertriebenen Überschusse gebraucht werden. Der Plural ist in dieser Bedeutung nicht üblich. Suche nicht Vortheil, wenn du opfern sollst, Sir. 35, 15. Auf seinen Vortheil sehen. Seine Waaren mit Vortheil verkaufen. Einen Vortheil verabsäumen, aus den Händen lassen. Etwas seines Vortheils wegen thun. Einen Vortheil machen, im gemeinen Leben, einen Gewinn an etwas haben. Stosch glaubt, das Wort Gewinn scheine mehr Wagen und Gefahr voraus zu setzen, als Vortheil; allein, dazu hat ihn wohl der Gewinn im Spielen verleitet, der doch nur eine engere und untergeordnete Bedeutung des Wortes Gewinn ist. Der Sprachgebrauch scheinet keinen Unterschied unter beyden Wörtern in dieser Bedeutung zu machen; außer, daß Vortheil mehr im gemeinen Leben, Gewinn aber mehr in der edlern Schreibart vorkommt. b. In weiterer Bedeutung, jede Art von Vollkommenheit, welche ein Ding vor dem andern voraus hat. 1. Im weitesten Verstande, wo es sehr unbestimmt ist, und alle Umstände unter sich begreifen kann, welche zur Vollkommenheit eines Dinges gereichen, oder zur Beförderung der Absicht einer Person dienen können. Etwas zum Vortheile des gemeinen Wesens thun, zu dessen Besten. Der Staat hat viele Vortheile von blühenden Colonien, zu welchen Vortheilen denn sowohl die Beförderung der Macht, als auch des Ansehens, des Reichthums, des Fleißes u.s.f. gehören. Das wird zu deinem Vortheile gereichen. Was für Vortheil hast du davon? Ein Buch bringt uns Vortheile, wenn es unsere Erkenntniß erweitert. Ein Landgut hat viele Vortheile, wenn es eine gute Lage, und andere Umstände hat, welche nicht bey einem jeden Landgute angetroffen werden. Den Vortheil eines Ortes in Acht nehmen, dessen zu unserer Absicht dienliche Beschaffenheit. Eine Armee hat viele Vortheile vor der andern voraus, wenn sie solche Umstände vor ihr voraus hat, welche ihr das Übergewicht geben können. Sich alle Vortheile zu Nutze machen, alle günstige Umstände. Seinem Feinde den Vortheil abgewinnen, ablaufen, einen günstigen Umstand, welcher ihm das Übergewicht geben könnte. Seinen Vortheil in Acht nehmen, einen solchen günstigen Umstand. In dem Vortheil[1306] liegen, sich an einem vortheilhaften Orte, in einer vortheilhaften Lage befinden.


Jetzt setzt ein kahler Troß, der in dem Vortheil liegt,

Den besten Helden ab,

Opitz.


2. In einigen engern Bedeutungen. ά. * Überlegenheit an Werth und Würde; eine jetzt veraltete Bedeutung, wofür Vorzug üblicher ist. Haben wir einen Vortheil? Gar keinen, denn etc. Röm. 3, 9; d.i. einen Vorzug. So auch v. 1. was haben denn die Jüden Vortheils? β. Ein besonderer Handgriff, Zeit, Mühe und Kosten zu ersparen. Etwas mit einem gewissen Vortheile thun. Es gehöret zu allem ein Vortheil. Seine Vortheile geheim halten

(2) Als ein Abstractum, der Zustand, da ein Ding einen Vorzug vor andern hat; ohne Plural. Eine Schrift, welche sich vor andern sehr zu ihrem Vortheile auszeichnet. Wohin auch die R.A. gerechnet werden können, sich im Vortheile befinden, sich aus dem Vortheile begeben.

Anm. Im Niedersächsischen gleichfalls Voordeel, im Schwedischen Fördel. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist es im ungewissen Geschlechte üblich, welches auch bey dem Opitz und in der Deutschen Bibel Sir. 20, 23. vorkommt, dagegen es in andern Stellen richtiger der Vortheil lautet. In einigen Niederdeutschen Gegenden ist für Vortheil Vorbate üblich, welches von Bate, Nutzen, Hochdeutsch, daß, besser, abstammet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1306-1307.
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