Weg, der

[1426] Der Wẽg, des -es, plur. die -e, (mit einem gedehnten e, daher das g seine eigenthümliche gelinde Aussprache behält.) Es bedeutet 1. Im weitesten und eigentlichsten Verstande, die Linie, oder den Raum in der Länge, welchen ein Körper in seiner Bewegung beschreibet. Unterirdische Dünste bahnen sich uns unbekannte Wege. Der Weg eines Himmelskörpers am Himmel, dessen Bahn oder Laufbahn. Der Weg eines Vogels in der Luft, eines Fisches im Wasser, eines Thieres auf dem Felde. Daher die figürlichen Ausdrücke: einem im Wege stehen, ihn hindern; einem etwas in den Weg legen, sowohl auch ihn hindern, als auch, ihn beleidigen. Einem in den Weg treten, auch, ihn zu hindern suchen. Einem aus dem Wege gehen, eigentlich, den Raum, in welchem er sich bewegen will, vermeiden; figürlich, seine Gegenwart meiden. Das liegt mir im Wege, ist mir im Wege, hindert mich. Packe dich deiner Wege, besser, geh deinen Weg, d.i. entferne dich. Auf bösen Wegen gehen, böse Absichten haben. Ein niedriger, provinzieller Ausdruck ist, bey Wege seyn, in der Nähe seyn. In noch weiterer Bedeutung. Es ist ein Fieber, eine Krankheit auf dem Wege, sie wird bald ausbrechen. Dann und wann nimmt die Fantasie des Dichters einen andern Weg.

2. In engerer Bedeutung, der Raum auf der Erdfläche, welchen man betritt wenn man von einem Orte zum andern reiset, da denn Weg der allgemeine Ausdruck ist, welcher Straße, Steig, Fußsteig u.s.f. unter sich begreifft. Ein gerader, krummer Weg, ein guter, böser, schlechter Weg, ein hohler Weg oder Hohlweg. Es ist ein weiter Weg von hier nach Paris, d.i. Paris ist weit von hier entfernt. Auf dem Wege nach Leipzig seyn. Einen Weg gehen, reisen, fahren u.s.f. Ehedem und noch jetzt zuweilen in der höhern Schreibart mit dem Genitive. Gehe dieses Weges. Ich möchte dieses Weges so bald nicht wieder kommen, Less. Im gemeinen Leben gebraucht man den Genitiv noch häufig mit gerade. Gerades Weges nach Berlin, den geraden Weg, d.i. unmittelbar, ohne sich an einem Orte aufzuhalten. Der Weg gehet durch den Wald, über einen Berg. Einen Weg nehmen, einschlagen, d.i. wählen, betreten. Sie können allemahl ihren Weg zu mir nehmen, wenn ihnen etwas mangeln sollte, d.i. zu mir kommen. Sich auf den Weg machen, eine Reise antreten. Den rechten Weg verfehlen. Jemanden den Weg zeigen, ihn wieder auf den rechten Weg bringen. Auf dem rechten Weg seyn. Einen Weg zurück legen. Es ist mir aus dem Wege, ist von dem Wege, welchen ich zu gehen habe, entfernt. Seinen Weg fortsetzen, seine Reise. Sein Weg trug ihn durch einen heiligen Hain. Eine Meile Weges, im gemeinen Leben, eine Meile. Ein gut Stück Weges, ein ziemlich weiter Weg. Wir haben schon ein gut Stück Weges gemacht. Unter Weges, auf dem Wege, während der Reise; wofür doch auf dem Wege edler ist. Den Weg aller Welt gehen, sterben.

Nur im gemeinen Leben übliche Ausdrücke sind: Unter Wege bleiben, lassen, unterbleiben, unterlassen. Aller Wegen, an allen Orten, allenthalben. Zuwege bringen, hervor bringen, wirklich machen, S. Zuwege. Es hat gute Wege, es eilet nicht; ingleichen, es hat nichts zu bedeuten. Mit dem Sohn hat es gute Wege, den überlassen sie nur mir, Less. Wenn du darüber unruhig bist, so hat es gute Wege, Gell.

3. Figürlich, (1) Die Art und Weise eines Verfahrens. Mittel und Wege wissen. Keines Weges, d.i. auf keinerley Art. Die Scheidung im nassen oder trocknen Wege, in der Chymie. In alle Wege, allerdings, ist im Hochdeutschen veraltet, so wie die Oberdeutschen solcher Wege, solcher Gestalt, in einige Wege, auf einige Art, ein so andern Weges, auf eine oder die andere[1426] Art. (2) Noch häufiger, die Art und Weise, zu etwas zu gelangen. Einem den Weg zu den Wissenschaften zeigen. Das ist nicht der rechte Weg, dazu zu gelangen. Krumme Wege gehen, etwas auf eine unerlaubte Art zu erhalten suchen. Der Weg zur Seligkeit. Er verachtet die niedrigen Wege zum Glück. Gell. Der gewisseste Weg zu den tugendhaften und seligen Empfindungen des Herzens gegen Gott zu gelangen, ist der Weg der Erkenntniß Gottes und seines Willens, eben ders. Ich will den sichersten Weg gehen. Den Weg Rechtens betreten, eine gerichtliche Klage erheben, einen Prozeß anfangen. (3) Den Weg der Tugend, der Menschheit gehen, sich derselben befleißigen. Von dem Wege der Tugend weichen. (4) In der Deutschen Bibel bedeutet der Weg des Herrn, die Wege Gottes, den Rathschluß Gottes, von den menschlichen Schicksalen. Eben daselbst sind die Wege des Menschen sein sittliches Verhalten.

Anm. Schon im Isidor Vuegh, im Ottfried Weg, bey dem Ulphilas Wigs, im Angels. Waeg, im Isl. Vegur, im Schwed. Väg, im Engl. Way, im Lat. Via, in den ältesten Zeiten Veha. Es ist unmittelbar von der vorigen Interjection weg, doch Statt aller Ausbildung mit Veränderung des Zeitmaßes des e, und der darin gegründeten Aussprache des folgenden g. In den folgenden Zusammensetzungen bekommt, um des gedehnten e und der weichen Aussprache des g willen, das letztere daher allemahl ein e, wenn die erste Hälfte dieses Substantivum ist, Wegweiser allein ausgenommen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1426-1427.
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