[1516] Wêtzen, verb. regul. welches auf doppelte Art gebraucht wird.
1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. (1) Heftig, und mit dem diesem Worte eigenen Laute reiben, besondern mit Hin- und Herstreichen reiben; in welcher Bedeutung es doch nur noch in einigen einzelnen Fällen üblich ist. Sich an etwas wetzen, ist für reiben noch im gemeinen Leben hin und wieder üblich. Eben daselbst sagt man auch, das Rad hat den Ballen (Waare) durchgewetzt, für durchgerieben. Am häufigsten ist wetzen, den Degen auf dem Pflaster, hin und her streichen.
Drauf wetzt die ganz Schaar,
Die Gluth fährt aus den Steinen
Daß sie im Strahl und Glanz, wie Meteore, scheinen,
Zach.
(2) Die langen Kleider im Gehen auf dem Boden schleifen lassen; nur im gemeinen Leben einiger Gegenden, und von dem andern Geschlechte. Mit den Kleidern über die Gasse wetzen, die Kleider schleppen lassen. Mit seidenen Kleidern daher wetzen. Eben daselbst hat man in dieser Bedeutung auch das Iterativum wetzeln, in eben demselben Verstande.
2. Als ein Activum, welches aber nur noch im eingeschränkten Verstande gebraucht wird, durch hin und her reiben, hin und her streifen scharf machen. So wetzt man ein Messer, wenn man es auf der Schwelle durch hin und her streichen schärfet; eine Axt, ein Beil, wenn man sie auf einem dazu dienlichen Steine hin und her reibet. Der Vogel wetzt den Schnabel, wenn er ihn auf einem harten Körper hin und her streicht. Wo das Reiben oder Streichen nicht so heftig und merklich ist, da gebraucht man dafür auch die Wörter, abziehen und schleifen, welches letztere besonders alsdann üblich ist, wenn sich der Stein beweget, nicht aber der Körper, welcher geschärfet werden soll. Ehedem gebrauchte man es auch im figürlichen Verstande, für schärfen. Den Verstand wetzen.
Du hast von Wiegen an, der Bücher Lust geliebet,
Die unsre Sinnen wetzt,
Opitz;
welche Figur aber im Hochdeutschen veraltet ist.
So auch das Wetzen.
Anm. Schon bey dem Ottfried wezzan, für schärfen, bey den Schwäbischen Dichtern mit dem vorgesetzten s, Swassen, im Nieders. wetten, im Angels. hwettan, im Schwed. hvässa, im Dän. hvädse, im Wendischen wotsin. Im Oberdeutschen hatte man davon auch das Wort waß, wets, scharf, welches von dem Kero an bis in das 15te Jahrh. häufig vorkommt, und auch im figürlichen Verstande gebraucht wurde. Wetz als ein Schwert, in den Sprüchw. Sal. von 1400; wasso sehan, scharf sehen, bey dem Willeram. Im Ottfr. ist Wassida, die Schärfe, Schneide. Auch im Schwed. ist noch jetzt hvass, scharf, spitzig. Die Lat. acus, acies, acuete, u.s.f. sind genau damit verwandt. Aus allem erhellet, daß dieses Wort eine intensive Form ist, welches nicht allein aus dem Hochdeutschen tz, sondern auch aus dem tt oder ss anderer Mundarten und Sprachen erweislich ist. Nimmt man das Zeichen der Intension weg, so bleibt wat, wet, oder vielmehr, da auch das harte t schon eine Intension verräth, wad, wed übrig, und dieses leitet uns auf wedeln, Wadel, fiedeln, für reiben, welches iterative und verkleinernde Formen von eben demselben wad, wed, sind, so daß der Begriff des Reibens, und in noch weiterem Verstande der Bewegung, der Stammbegriff ist,[1516] und wetzen eigentlich ein heftiges Reiben bedeutet, welches auch durch den heutigen Gebrauch bestätiget wird. Hieraus erhellet aber auch, daß das tz in unserm heutigen Worte seinen guten etymologischen Grund hat, und nicht willkührlich mit z oder zz vertauscht werden darf. Das t gehört zur Wurzel; das gewöhnliche Zeichen der Intension ist im Hochdeutschen s, folglich wetsen; aber dieses s gehet nach harten Consonanten, und besonders dem t gern in das eben so harte z über, wie in hetzen, beitzen, schätzen, letzen, und tausend andern. Wer wezzen schreibt, zerstöret den Bau des Wortes ohne alle Noth und Nutzen, und wer wezen schreibt, zerstöret sogar die Aussprache, weil dieses nach dem Eigenen der Deutschen Sprache nicht anders als wēzen ausgesprochen werden kann.