Wirken

[1573] Wirken, verb. regul. welches auf doppelte Art gebraucht wird. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, Veränderungen in einem andern Dinge hervor bringen, am häufigsten von leblosen Subjecten. Eine Arzeney wirkt, wenn sie Veränderungen in dem Körper hervor bringt. Der Wein wirkt, wenn er fröhlich, schläferig u.s.f. macht. Der Gegenstand bekommt am häufigsten auf. Die Luft wirkt auf den menschlichen Körper. Die Sonne wirkt auf die Erde. Auch von moralischen Veränderungen. Meine Vorstellungen haben gar nicht auf sein Herz gewirkt. Auch in den folgenden thätigen Bedeutungen kann es oft absolute und als ein Neutrum gebraucht werden, wenn der Accusativ der Veränderung verschwiegen wird.

2. Als ein Activum. 1. Bearbeiten; nur noch in einigen Fällen des gemeinen Lebens. So wirket z.B. der Bäcker den Teig, wenn er ihn zum letzten Mahle durchknetet. Der Hufschmid wirket den Huf des Pferdes, oder, wirket ihn aus, wenn er ihn vor dem Beschlagen mit dem Wirkmesser ausschneidet, oder ausarbeitet. In einer alten Übersetzung der Bibel vor Luthern heißt es von Adam, er wirkete die Erde, für bauete. 2. Durch Arbeit hervor bringen; auch nur noch in einigen Fällen des gemeinen Lebens. Besonders werden gewisse künstliche Arten des Webens nicht weben, sondern wirken genannt. Strümpfe, Tapeten, Borten, Spitzen, Damast wirken. Indessen scheint es, daß wirken und weben im Oberdeutschen gleichbedeutend sind, indem man daselbst auch Leinwand wirket. 3. Veränderungen[1573] hervor bringen, mit dem Accusative dieser Veränderung, und zwar am häufigsten von moralischen Veränderungen, aber auch hier nur noch in manchen Fällen. Gott wirket sowohl das Wollen als das Vollbringen. Meine Vorstellungen haben doch so viel gewirket, daß u.s.f. In etwas wirken, dessen Zustand verändern. Am häufigsten gebraucht man dieses Wort noch in der Theologie; außer derselben aber nur im allgemeinen Verstande, oder, wenn die Veränderung nur allgemein, z.B. durch viel, wenig, nichts u.s.f. bestimmt wird. Wird sie genauer bezeichnet, so sind andere Verba üblich. So sagt man z.B. im Hochdeutschen nicht mehr, sein Glück wirken, sondern machen, oder sich glücklich machen, oder zu machen suchen, an seinem Glücke arbeiten; nicht Gutes, Böses wirken, sondern thun; nicht ein Wunder wirken, sondern thun, verrichten; nicht Folgen, Veränderungen wirken, sondern hervor bringen u.s.f. Da indessen das Participium wirkend, und das Substantivum die Wirkung öfter als im allgemeinen Verstande vorkommen, z.B. die wirkende Ursache, so werden sie auch häufiger gebraucht. S. Wirkung an seinem Orte besonders, ingleichen Werk.

Anm. Im Nieders. werken, bey dem Kero, Ottfried u.s.f. sowohl werchon als wirken, werkon, wovon das erste irregulär, die letztern aber regulär conjugiret wurden, geworcht, für gewirkt. Bey den jetzt gedachten Schriftstellern wird es noch sehr häufig für bauen, schaffen, arbeiten u.s.f. gebraucht, für welche Bedeutungen, die obigen Überbleibsel ausgenommen, jetzt bestimmtere Verba üblich sind. Das Verbum ist alt, und lautet schon bey dem Ulphilas waurkjan, und im Schwedischen ohne Blaselaut, yrka, woraus erhellet, daß es mit dem Griechischen εργον und vielleicht auch mit dem Lat. urgere verwandt ist. Die bey vielen noch übliche Schreibart würken ist sowohl wider die Abstammung, als wider die wahre Hochdeutsche Aussprache, welche hier ein i, nicht aber ü hören lässet. Wider die Abstammung ist sie, weil Werk und wirken auf das genaueste mit einander verwandt sind, e und i aber häufig in einander übergehen, aber nicht so leicht e und ü. Auch die Schreibart der Alten ist für das i.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1573-1574.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika