Wo

[1588] Wo, eine Partikel, welche auf eine gedoppelte Art gebraucht wird: 1. Als ein Adverbium, und zwar

(1) Als ein Adverbium des Ortes, und dieses wieder auf verschiedene Art. (a) Einen determinativen, aber unbekannten oder unbestimmten Ort zu bezeichnen; eine nur noch im gemeinen Leben übliche Bedeutung. Ich habe es wo gelesen, an irgend einem mir jetzt nicht bekannten Orte. Es muß doch wo seyn, an irgend einem Orte. So auch in Irgendwo, welches auch noch in der anständigern Schreibart gebraucht wird; aber für Nirgendswo ist nirgends allein schon hinlänglich. (b) Als ein Fragewort, nach einem Orte zu fragen. Wo ist er? an welchem Orte? Wo hast du es gefunden? Wo schmerzet es? (c) Als eine relative Partikel des Ortes, einen vorher genannten oder im Folgenden näher beschriebenen Ort zu bezeichnen, für, an welchem Orte? da es denn sowohl im Vordersatze als im Nachsatze, stehen kann, und sich oft auf ein ausgedrucktes oder verschwiegenes determinatives da beziehet. Da, wo ich bin, darfst du nicht hinkommen. Wo Geld ist, da ist alles. Ich nehme es, wo ich es finde. Ein Ort, wo ich wohnen kann. Ich kanns errathen, wo dirs fehlet. Der Menschenfreund schätzt die Verdienste, wo er sie findet. Wo auch mein Geist nach dem Tode seyn wird, so weiß ich doch, daß er allezeit bey Gott seyn wird, Gell.


Ich seh den Weisen nicht, wo mir der Mensch verschwindet,

Cron.


Es sey, wo es wolle. Zuweilen auch figürlich, oder vielmehr elliptisch für woher. Wo wissen sie denn, ob ich Bücher lese? woher, von wem, Gell. Ingleichen für wie?


Wo kenn ich seine Treu, wenn er sie nicht beweist?

Allein, wo wird er sie uns denn beweisen können?

Gell.


Welcher Gebrauch doch nicht der beste ist, weil er eine zweydeutige Dunkelheit macht.

(2) Als eine relative Partikel des Gegenstandes, doch nur in Zusammensetzungen, wenn Präpositionen mit dem relativen Pronomen welcher verbunden werden sollen, da denn wo das welcher vertritt, und mit der Präposition zusammen fließet, doch so, daß wenn sich die Präposition mit einem Consonanten anfängt, wo unverändert bleibt, dagegen es noch ein r annimmt, wor, wenn sich die Präposition mit einem Vocale anfängt: wobey, wodurch, woher, wohin, wofür, wogegen, womit, wovon, wowider, wovor, wozu; aber woran, worauf, woraus, worein, worin, worüber, warum, (nicht worum,) worunter; alle für bey welchem, oder bey welcher, durch welchen, welche, welches u.s.f. Das r ist in den letzten Formen keine bloße Einschaltung, denn da ehedem für wo auch wor üblich war, und es im Niederdeutschen noch ist, so hat man die letzte Form um des Wohllautes Willen da behalten, wo sich die Präposition mit einem Vocale anfängt. S. von dieser ganzen Zusammenziehung Da II, ingleichen jedes dieser zusammen gezogenen Wörter an seinem Orte besonders.

2. Als eine Conjunction, und zwar eine Bedingung zu bezeichnen, für wenn. Wo mir recht ist, wenn. Sie sagte, sie hätten Unrecht, wo sie nicht gar noch mehr sagte, Gell. Ich will des Todes seyn, wo er es unterlassen wird. In dieser Gestalt ist es nur noch in der vertraulichen Schreibart üblich, indem die edlere dafür das bestimmtere wenn gebraucht. Doch verschmähet sie es auch nicht in dem elliptischen wo nicht. Thue es, wo nicht aus Liebe zu mir, doch wenigstens um dein selbst Willen Thue, was ich sage, wo nicht, so fürchte meinen Zorn. Opitz gebraucht diese Conjunction häufig, läßt ihr aber oft noch ein müßiges daß nachschletchen:


[1588] Wirf alles da, was Welt ist, von dir hin,

Wo daß du willt, was göttlich ist, erlangen. – –

Wo daß wir etwan gehen wollen,

So schließen sie uns mitten ein.


Anm. Bey dem Ottfried waar, bey dem Willeram wa, bey dem Ulphilas hwar, im Nieders. waar, wor, im Schwed. hwar, im Engl. where. Wa, wo ist die dunkele Wurzel sehr vieler Bestimmungswörter, welche in wie, was, wer, welcher u.s.f. weiter ausgebildet, und näher bestimmt worden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1588-1589.
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