Antonio Salieri

[35] Antonio Salieri, erster Hof-Kapellmeister zu Wien, geboren zu Lignavo im Venetianischen 1750, besuchte anfangs hier die Lateinische Schule, widmete sich aber, als er schon im funfzehnten Jahre seinen Vater, einen angesehenen Kaufmann, verlor, ganz der Musik, und begab sich nach Venedig, wo er den Pescetti, dann den Passini zu Lehrern hatte, aber bald, als Gaßmann nach Venedig kam, diesen zu seinem Lehrer auf dem Klavier und im Gesange wählte, und ihm[35] auch aus besonderer Liebe im J. 1766 mit nach Wien folgte. Hier genoß er acht Jahre lang den Unterricht seines großen vortrefflichen Lehrers, und wurde auch nach dessen Tode zum Kapellmeister bei der Kammermusik und dem kaiserlichen Theater erklärt. Der Ritter Gluck, welcher ihm gewissermaßen den Verlust seines Lehrers ersetzte und Alters halber das dringende Verlangen des Pariser Publicums nach seinen Compositionen nicht erfüllen konnte, übergab Salieri die Oper: Les Danaides, welche dieser unter seinen Augen in Musik setzte, dann damit (1784) nach Paris reiste und hier die Oper anfangs vor der königlichen Familie, (wo die Königin allezeit selbst mitsang) nachher aber auf dem großen Theater mit dem höchsten Beifall aufführte. Noch immer hielt sie das Publicum für Glucks Arbeit, bis dann dieser nach der dreizehnten Aufführung in einem schriftlichen Aufsatze an die Pariser den Salieri als den einzigen Verfasser erklärte. Mit den ansehnlichsten Geschenken und sehr bedeutenden Aufträgen zu neuen Compositionen reiste Salieri nach Wien zurück, und sein Ruhm war nun fest gegründet. Gleiches Aufsehen machte die Oper: Tarare von Beaumarchais, welche er 1787 fürs Pariser Theater schrieb, und die nicht nur hier, sondern auch nachher, da er sie unter verschiedenen Abänderungen auch für die Italiänischen Bühnen unter dem Titel Axur – wie sie auch auf Deutschen Operntheatern berühmt geworden ist – bearbeitete, den außerordentlichsten Beifall erhielt. Zu Wien brachte ihm diese Oper, das Lieblingsstück Kaiser Josephs II., nicht nur ansehnliche Geschenke, sondern auch einen lebenslänglichen Gehalt von 300 Ducaten zuwege. Und so haben die meisten der übrigen Salierischen Opern (deren er jetzt schon über 30 geschrieben hat) z. B. la scuola deʼ gelosi – il Talismano – la Grotta di Trofonio – la Ciffra – und neuerlich ganz besonders Palmira, welche mit Axur an Schönheit zu wetteifern scheint, überall ungetheilten Beifall erhalten. – Gewiß ist auch Salieri fast einzig in seiner Art zu nennen, wenigstens gewiß der Erste unter den Italiänern, der seinen eignen Weg geht und über seine Kunst nachzudenken im Stande ist. Er besitzt zugleich Kenntniß des Theaters und dessen, was hier Wirkung [36] macht, und wird immer den Ruhm eines der ersten Theater-Componisten behaupten.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 35-37.
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