Cajus Marius

[78] Cajus Marius, ein Römischer Feldherr, welcher den Römern in den letzten Zeiten ihres Freistaates durch seine ungemeine Tapferkeit ansehnliche Eroberungen im Auslande verschaffte, zugleich aber durch seinen nie zu befriedigenden Ehrgeitz und unerträgliche Habsucht die Republik in ihren Grundsesten erschütterte und den nachherigen Fall derselben unmittelbar herbeiführen half. Marius war aus einer kleinen Stadt Italiens, Arpinum, gebürtig, und konnte bei der Dunkelheit, worin seine Vorfahren gelebt hatten, keine Ansprüche auf die Vorrechte machen, welche bei den Römern eine hohe Geburt zu gewähren pflegten; ein einziges Mittel, wodurch er sich empor zu arbeiten hoffen konnte, blieb ihm übrig, nehmlich die militairische Laufbahn. Er zeichnete sich durch Klugheit, unerschütterlichen Muth und kaltblütige Unerschrockenheit bei den größten Gefahren so vortheilhaft aus, daß ihm der Senat in dem Kriege, welcher mit dem Numidischen Könige Jugurtha geführt wurde, das Obercommando übertrug, und nach dessen glücklicher Beendigung die Ehre des Triumphs bewilligte. Eben so glücklich war Marius, als er sein Heer gegen die Cimbern und Teutonen anführte, welche Italien überschwemmten und sich Rom selbst zu nähern anfingen. Allein so groß auch der Ruhm war, den er durch seine Siege erlangte, und so schmeichelhaft auch immer die Würde des Consulats, das er mehrere Mahle verwaltete, für ihn sein mochte; so war doch sein unbegränzter Ehrgeitz und seine niedrige Habsucht keineswegs noch befriedigt: er glaubte vielmehr, durch irgend eine neue große Unternehmung seine Reichthümer vermehren und sein Ansehen noch fester gründen zu müssen. Die Streitigkeiten [78] zwischen Senat und Volk, welche Rom seit den Zeiten der Gracchen mächtig erschüttert hatten, schienen ihm eine erwünschte Gelegenheit zur Ausführung seiner Entwürfe. Er trat auf die Seite des letztern, nuterstützte die aufrührerischen Vorschläge der Volkstribunen, und veranlaßte dadurch den blutigen Krieg, welcher zwischen den Römern und ihren Bundsgenossen ausbrach. Nicht zufrieden, Bürger gegen Bürger bewaffnet zu haben, entwarf er bald darauf eine neue Meuterei gegen den Sulla, welcher als Ober-Befehlshaber an der Spitze eines Heeres ausgeschickt worden war, um den König in Pontus, Mithridates, zu bekriegen, weil er wünschte an dessen Stelle die Armee anzuführen. Allein Sulla hatte Italien noch nicht verlassen, kehrte deßwegen nach Rom zurück, und nöthigte die Anhänger des Marius durch Gewalt der Waffen zur Ruhe. Marius mußte fliehen und sich einige Zeit in Sümpfe und Moräste verbergen, um den spähenden Augen seiner Verfolger zu entgehen, die ihn als einen Geächteten überall aufsuchten. Es glückte ihm jedoch auf einem Schiffe nach Afrika überzusegeln, wo er auf den Trümmern Carthagoʼs seine ehemahlige Größe mit seiner jetzigen Niedrigkeit verglich, und sein muhseliges Leben wahrscheinlich durch einen freiwilligen Selbstmord geendigt haben würde, wenn ihn nicht eine gewisse Ahnung, daß das Glück ihm doch noch günstig sein könnte, belebt und zur willigen Erduldung seiner Leiden neu gestärkt hätte. Und hierin hatte er sich auch nicht getäuscht; denn Cinna, ein eben so ehrgeitziger und herrschsüchtiger Mann als er selbst, verwendete sich in Rom lebhaft für ihn, bewirkte seine Zurückberufung, verschaffte ihm das Consulat und gab die Stadt seiner beleidigten Rache preis. Marius, dessen Blutdurst mit den Jahren zugenommen zu haben schien, ließ durch seine Anhänger Schrecken und Verheerungen um sich her verbreiten, und rächte durch die schimpflichsten Gräuelthaten seine ehemahlige Vertreibung aus Rom. Allein sein alter abgezehrter Körper, den er durch unmäßigen Gebrauch des Weins noch mehr zerrüttete, erlag endlich seiner blutdürstigen Grausamkeit; er starb bald nach seinem angetretenen Consulat im 70. Jahre seines Alters, und hinterließ ungeheure Reichthümer, die er sich bei den [79] bürgerlichen Unruhen erworben hatte. Seine Gestalt hatte etwas Fürchterliches und Abschreckendes; sein Blick war aber eben so durchdringend und scharf, als sein ganzes Betragen wild und rauh war. Er scheint in seinem Aeußern sowohl als in seinem ganzen Charakter eine auffallende Aehnlichkeit mit dem Französischen Demagogen Danton gehabt zu haben.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 78-80.
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