Carl Philipp Moritz

[176] Carl Philipp Moritz, war Preußischer Hofrath und Professor der schönen Wissenschaften und bildenden Künste in Berlin. Dieser Mann, welcher zu Hameln 1757 geboren wurde, hatte durch die nachtheiligen Wirkungen seiner allzu lebhaften Einbildungskraft in seiner ganzen Lebenszeit nur wenig ruhige Tage, und trieb sich in einem Meere von Entwürfen und weitaussehenden Plänen umher. Glückte es ihm auch einmahl, das Ziel seiner Wünsche zu erreichen, so war er doch dadurch noch nicht beruhigt, sondern sehnte sich nach einem neuen Wirkungskreise. In seiner Jugend hatte er von seinem Vater, welcher sich viel mit der Musik abgab, eine etwas schwärmerische Erziehung bekommen: damit vereinigte sich nachher bei ihm eine unwiderstehliche Neigung zu glänzen und die Augen der Menge auf sich zu ziehen; und da ihm die gewöhnlichen Wege zur Erfüllung dieses Wunsches zu beschwerlich schienen, so war es nicht zu verwundern, daß ihn seine hitzige Phantasie auf sonderbare Abwege leitete. Das Theater hatte die anlockendsten Reitze für ihn; und er würde gewiß Schauspieler geworden sein, wenn nicht jedesmahl ein ungefährer Zufall seine Absichten vereitelt hätte. Die ausschweifende und unordentliche Lebensart, an welche er sich gewöhnt hatte, zerrüttete schon auf Universitäten seine Finanzen; und er konnte sich auch in seinen ältern Jahren nie eine bestimmte Ordnung zu eigen machen. Er erhielt zuerst eine Stelle an der Klosterschule zu Berlin, fühlte sich aber in diesem Wirkungskreise zu sehr eingeschränkt, und machte deßwegen eine Reise nach England, um Zerstreuung zu suchen. Nach seiner Rückkunft dauerte seine Zufriedenheit abermahls nicht lange, und er unternahm im Jahre 1786 eine neue Reise nach Italien. In diesem Lande der Künste befand er sich um ein Merkliches erträglicher, studirte Alterthümer und Kunst, und schien seine unruhige Einbildungskraft endlich einmahl auf einen festen Punkt gebracht zu haben. Allein kaum hatte er sich wieder einige Zeit in Berlin aufgehalten, als er auf neue Sonderbarkeiten verfiel, und durch eine unkluge Heirath sich in neues Ungemach [176] stürzte. Der Tod befreite ihn endlich am 26. Juni 1793 von allen seinen wahren und eingebildeten Leiden, raubte aber dadurch zugleich Deutschland einen sehr fleißigen und geschätzten Schriftsteller. Denn ob sich gleich sehr viele seiner Schriften nicht durch Gründlichkeit und Ordnung empfehlen, so kann man an ihnen doch eine gewisse Originalität keineswegs verkennen. Die Sprache, in der sie abgefaßt sind, ist hinreißend, und die Ausbrüche der lebhaften Einbildungskraft ihres Verfassers überraschen den Leser oft da, wo er es am wenigsten vermuthet. Daß der Noman Anton Reiser, worin Moritz seine eigne Lebensgeschichte aufstellt, nicht nach der strengsten historischen Wahrheit ausgearbeitet sei, darf kaum erwähnt werden.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 176-177.
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