Catharina Theot

[131] Catharina Theot: so hieß die Vorsteherin einiger [131] religiöser Gaukeleien, welche im Frühlinge des Jahres 1794 in Paris viel Aufsehen machten. Die Mysterien wurden in der Wohnung der Theot, einer 69 Jahr alten Jungfer, gefeiert, und ein gewisser Gerle spielte dabei den Hierophant. Die ganze Verbindung war fanatisch, und würde nimmermehr so viel Aufsehen erregt haben, wenn nicht gewisse Nebenumstände dazu gekommen wären. Robespierre bereitete sich nehmlich um dieselbe Zeit den Triumph mit der Feier des höchsten Wesens, das er mit allem Pomp proclamiren ließ. Da er zur Schwärmerei geneigt war, und den Fanatismus, den Catharine Theot predigte, mit seinen eignen Ideen sehr übereinstimmend fand, und noch über dieß aus der Verbindung mit ihr andre Vortheile hoffte, so dultete er die Versammlungen, die sie bei sich hielt, oder that vielmehr, als wenn er sie gar nicht kennte. Die übrigen Mitglieder des Wohlfahrts- und Sicherheitsausschusses, welches auf Robespierreʼs zunehmende Macht eifersüchtig zu werden anfingen, ergriffen diese günstige Gelegenheit, um die Mysterien der Catharine Theot dem Convente als einen Schlupfwinkel der Contrerevolutionairs zu denunciren. Sie hofften dadurch Robespierren einen heimlichen Streich zu versetzen; und sie irrten darin nicht. Robespierre durfte es nicht wagen, sich einer fanatischen Gesellschaft öffentlich anzunehmen. Indem Theot und ihre Gefährten als aberwitzige Schwärmer dargestellt wurden, mußte sich das Volk an Robespierreʼs Schwärmereien bei dem Feste des höchsten Wesens erinnern, und ihn um desto mehr verabscheuen. So wurde die Farce mit Catharinen Theot eine Vorbereitung zum 9. Thermidor. Barrere und Vadier, welche dem Convent von dieser Verschwörung Bericht erstatteten, verwandelten den Namen der alten, dem Revolutionstribunal überlieferten, Theot, in das Griechische Wort Theos, um der ganzen Sache eine größere Wichtigkeit zu geben.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 131-132.
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