Charlotte Corday

Charlotte Corday, dieses in der jetzigen Französischen Zeitgeschichte so berühmt gewordene Mädchen war in der ehemahligen Normandie geboren, die zu der Zeit, da Corday ihr Vaterland von dem Ungeheuer Marat zu befreien beschloß, den Mißvergnügten zum Sammelplatz diente, von wo aus man nach Paris marschiren, die Deputirten der Girondepartei und ihre Anhänger, welche den Convent auf eine schimpfliche Art zu verlassen gezwungen worden waren, der Gefangenschaft entreißen und so auf einmal dem Tyrannen-Regiment ein Ende machen wollte. Corday, weiche Augenzeugin dieser Unternehmungen war, und bei einer etwas schwärmerischen Einbildungskraft von dem lebhaftesten Patriotismus beseelt wurde, wollte nicht müssige Zuschauerin bleiben, sondern brannte vor Begierde sich durch irgend eine wichtige Unternehmung bleibende Verdienste um das Vaterland zu erwerben. Da nun unter allen Tyrannen, welche Frankreich in jener Zeitepoche verheerten, Marat bei weiten der abscheulichste. und wegen des großen Einflusses, den er sich auf den niedrigsten Pöbel erworben hatte, doch auch einer der mächtigsten war, so siel sehr natürlich ihr erster Gedanke auf diesen schändlichen Demagogen. Der Entschluß ihn umzubringen war nicht das Werk einer jähen Aufwallung, sondern die Frucht der reifsten Ueberlegung Daher die kaltblütige Geistesgegenwart der Corday bei der Ausführung der That, die bekanntlich am 13. Jul. 1793 gegen Abend vollbracht wurde, da Marat im Bade saß; daher ihre Unbefangenheit vor dem schrecklichen Revolutionsgericht; daher endlich die heroische Standhaftigkeit bei ihrer Hinrichtung (17. Jul.). Immer wird dieses fünf und zwanzigjährige Mädchen unter den Heldinnen älterer und neuerer Zeit einen ehrenvollen Platz behaupten, sollte auch ihr Durst nach dem Ruhm, unter den Neufränkischen Republikanerinnen die erste Stelle einzunehmen, eine Hauptursache des ganzen Unternehmens gewesen sein.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 295-296.
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