Crösus

[306] Crösus, der letzte König von Lydien, lebte im sechsten Jahrhunderte vor christlicher Zeitrechnung. Er war persönlich tapfer und vergrößerte sein ohnehin mächtiges Reich durch viele Provinzen in Kleinasien. Seine Reichthümer, die er vorzüglich aus Bergwerken und dem Goldsand des Flusses Pactolus gezogen haben soll, waren größer als irgend ein König vorher sie gehabt hatte; und der Ausdruck: »Reichthümer des Crösus,« bezeichnete in der Folge unermeßliche Schätze. Stolz auf den Besitz dieser Güter, ergab er sich einer ausschweifenden Prachtliebe, hielt sich für den Beglücktesten aller Sterblichen, und empfand es einst sehr übel, daß der Attische [306] Weise Solon, der nach der gemeinen Erzählung an seinen Hof kam, beim Anblick dieser ungeheuern Schätze ihn für unglücklich erklärte, und gegen ihn behauptete, man könne den Menschen erst jenseit des Grabes glücklich preisen. Allein bald entdeckte er die Wahrheit dieses Ausspruchs; denn er hielt sich nicht nur selbst für höchst elend, als er zwei geliebte Söhne durch gewaltsame Todesarten verlor, sondern wurde auch vom Cyrus, den er zum Besten der Babylonier bekriegt hatte, geschlagen, in der eroberten Hauptstadt Sardes gefangen genommen, und zum Scheiterhaufen verdammt Als schon die Flamme unter ihm wüthete, rief er voll schmerzlicher Rückerinnerung an Solons wahre Rede, dreimal aus: »O SolonCyrus, der den Sinn dieses Rufs erfuhr, wurde darüber gerührt, schenkte ihm Leben und Freiheit, nahm ihn als Begleiter auf allen seinen Feldzügen mit, behandelte ihn sehr gut, bemächtigte sich aber seines Reichs und seiner Schätze. Das Todesjahr des Unglücklichen ist nicht bekannt; allein noch unter Cambyses, Cyrus Nachfolger, lebte er, und entging hier seiner Hinrichtung, die schon anbefohlen war, nur durch die List einiger Hofbedienten. Obschon Einige den ganzen Vorfall mit Solon läugnen, andre aber die Verurtheilung zum Scheiterhaufen nicht erwähnen: so bleibt doch Crösus immer ein äußerst lehrreiches Beispiel des Glückswechsels und der Nichtigkeit des menschlichen Vertrauens auf Glücksgüter; denn er sank von der höchsten Stufe irdischer Hoheit auf einmal bis zum Nichts herab, und nur die Güte des Siegers rettete ihn von dem schimpflichen Martertode.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 306-307.
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