[116] D. Carl Goldoni. Dieser berühmte und fruchtbare Schauspiel-Dichter, geb. zu Venedig 1707, hatte sich anfangs der Jurisprudenz gewidmet, folgte aber gar bald dem Rufe seines Genius, und ging als Theaterdichter an mehrere Italiänische Theater. Es gelang zwar seinem Vater, einem Arzte, ihn aufs neue zum Studium der Medicin zu bewegen; allein er kehrte gar bald zu seiner Neigung zurück. Nachdem er mehrere Jahre mit abwechselndem Glück Advocat, Theaterdichter, Schauspieler, Arzt, Consul, Secretair in Mailand und Director einer Schaubühne gewesen war, und auf zweihundert Schauspiele geschrieben hatte, wurde er 1761 nach Paris berufen, wo man ein Italiänisches Schauspiel errichten wollte. Die Errichtung eines Italiänischen Schauspiels wurde zwar verschoben; allein Goldoni lehrte die Tochter Ludwigs XV. seine Sprache, verfertigte zuweilen kleine Italiänische Schauspiele für das Hoftheater, und blieb mit einer jährlichen Pension von 4000 Livres am Hofe. Er erreichte ein Alter von 85 Jahren, und starb zu Paris im December 1792, nachdem ihm kurz zuvor der Französische National-Convent eine Pension von 2400 Livres zuerkannt hatte. Er selbst hat die Geschichte seines Lebens geschrieben, von welcher Schatz unter dem Titel: Goldoni über sich selbst und die Geschichte seines Theaters, [116] III Th. eine sehr gute Uebersetzung geliefert hat. Goldoni nahm sich bei seinem Eintritt in die dramatische Laufbahn vor, den Geschmack seiner Nation, welcher ganz für eine rohe, regellose Gattung von Schauspielen aus dem Stegreif und für die Larven, welche fast immer unter demselben Namen und demselben äußern Charakter auftreten, gestimmt war, zu reformiren und die regelmäßige Comödie einzuführen, worin er nur wenige Vorgänger gehabt hatte. Es konnte nicht fehlen, daß sein Beifall, bei einem so entschiedenen Geschmack seiner Nation für eine andere Gattung, theils getheilt theils vorübergehend war; denn als Goldoni aufhörte, für seine Landsleute zu schreiben, kehrten sie größten Theils auf den gewohnten Weg zurück. Indeß wußte er sich dennoch durch die komischen Situationen seiner Stücke, wie auch vorzüglich durch die Darstellung einheimischer Gegenstände, zu behaupten. Die meisten seiner Schauspiele hat Saal in eilf Theilen verdeutscht. Eine sehr gute Beurtheilung seiner Verdienste steht in den Nachträgen zu Sulzers Theorie der sich. K. aus welcher wir zum Schluß folgende Stelle beifügen. »Goldoni übertrifft an Fruchtbarkeit der Ideen alle dramatischen Dichter neuerer Zeit, den einzigen Lope di Vega ausgenommen. Der minder glänzende Theil seines Verdiensts ist die Anlage seiner Stücke, deren keines ganz vollendet und tadelfrei ist. Desto bewundernswürdiger aber ist die Mannigfaltigkeit der Situationen und der Reichthum an Charakteren, welche er zuerst auf die Bühne gebracht hat, und deren viele eine wahrhaft komische Kraft haben. Goldoni verließ die enge Sphäre der Theaterwelt, und sammelte einen Vorrath eigner Beobachtungen ein, um derentwillen seine Schauspiele dem Studio der dramatischen Dichter, als eine Fundgrube glücklicher Ideen, noch lange empfohlen bleiben müssen. Die Fehler, in welche Goldoni verfallen ist, sind, zum Theil wenigstens, eine Folge der Umstände, unter denen er schrieb. Ein Dichter, welcher in dem Laufe von dreißig Jahren die Bühne mit zweihundert Schauspielen bereichert, von denen er sechzehn in einem Jahre schrieb, mußte dem Zufall nothwendig sehr viel überlassen, und seinen ersten Einfällen folgen, ohne dem Zuruf einer bedenklichen Kritik zu folgen.«