Das Churfürstenthum Hannover

[165] Das Churfürstenthum Hannover. Die Besitzungen, die Größe und die Bevölkerung dieses wichtigen Deutschen Landes sind bereits in dem Artikel Braunschweig angeführt worden, wozu wir noch folgendes hinzusetzen. Es war im Jahr 1692, daß die jetzt regierende Linie in der Person Herzog Ernst Augusts, wiewohl unter schweren, für das Haus Oestreich sehr vortheilhaften, Bedingungen und unter großen Widersprüchen verschiedener Reichsfürsten, durch den Kaiser Leopold die Churwürde erhielt. Ernst Augusts ältester Sohn, Georg Ludwig, welcher seinem Vater in der Churwürde folgte, ward 1714 unter dem Namen Georg I. König von England, nachdem schon vorher durch Parlamentsacten das Recht des Hauses Hannover an der Krone England festgesetzt worden war. Hannover hat durch diese Verbindung mit England nicht nur in Rücksicht auf sein Ansehen, sondern auch auf ansehnliche Erwerbungen und wichtige Verbesserungen sehr gewonnen, und sich gegen die Nachtheile, die ihm aus derselben erwachsen könnten, größten Theils vortrefflich zu sichern gewußt, so wie es auch jetzt an dem Englischen Kriege mit Frankreich keinen Theil mehr nimmt. Die sämmtlichen Einkünfte der churfürstlichen Lande werden jährlich auf drei Millionen Thaler gerechnet. Die vorzüglichsten Hannöverschen Producte sind die mineralischen, welche auf dem Harz gewonnen werden (s. der Harz), und deren Ertrag jetzt im Durchschnitt jährlich auf 1,200,000 Rthlr. gerechnet [165] wird, wovon aber über die Hälfte für die Unkosten abgezogen werden muß. In Rücksicht auf die edlern Metalle, so wird jetzt nicht viel Gold gewonnen; desto reicher aber ist der Ertrag an Silber. Die Landwirthschaft ist in vielen Gegenden, wo es der Boden zuläßt, in gutem Zustande, wird auch von der Regierung sehr befördert; allein es giebt auch große Strecken Landes, vorzüglich im Lüneburgschen, welche keiner Cultur fähig sind. Die fruchtbarsten Gegenden sind die Marschländer an der Elbe und Weser, nächst diesen Grubenhagen in den ebenen Theilen, Calenberg in den meisten Districten, und ein Theil der Grafschaft Hoya und Diepholz. In einzelnen Gegenden sind die Viehzucht, der Flachsbau und die Bienenzucht sehr beträchtlich. Auch sucht man die Industrie in Manufacturen und Fabriken zu beleben, wiewohl man dieselbe zur Zeit noch keinesweges beträchtlich nennen kann. Vortrefflich sind die Landstraßen in dem Churfürstenthum Hannover, deren Verbesserung sich die Regierung seit ungefähr 25 Jahren durch Anlegung der herrlichsten Chausseen angelegen sein läßt; und eine eben so gute Einrichtung hat das Hannöversche Postwesen. Mit etwas mehr Thätigkeit von Seiten der Einwohner kann Hannover noch große Fortschritte machen, und die Bilanz, die es jetzt bei der starken Einfuhr fremder Waren wider sich hat, ins Gleichgewicht bringen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 165-166.
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